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An den Großherzog Carl August

Ew. Königl. Hoheit

auch wieder einmal schriftlich aufzuwarten bedarf es, bey hiesiger Cur- und Lebensweise wircklich einer Anregung. Will man schreiben, so muß man aussetzen; und dann bemercke ich daß mir das Wasser mehr als sonst zu Kopfe steigt und auf die Augen wirckt; doch will ich nicht läugnen daß es mir für den Augenblick sehr wohl bekommt, möge es gleiche Folgen haben!

Skeel, der gegenwärtiges überbringt, hat mir erzählt wie gut meine botanischen Landsleute sich betragen haben und ich freue mich gar sehr auf die angelangten Gewächse.

Die mir gnädigst aufgetragnen Begrüßungen wurden alle ehrerbietigst und freundlichst aufgenommen und erwiedert. Fürst Metternich empfing die Probebogen des von Hammerischen Briefs mit Geneigtheit und Beyfall. Ein Exemplar ist nach Wien abgegangen und die Justicia cristata dringend erinnert worden. Das Titelkupfer zur Heilsberger Inschrift wird zierlich und sorgfältig gestochen und so näherte sich diese kleine Unternehmung auch einem erfreulichen Aus gang. Zu ähnlichen Zeugnissen unserer literarischen Thätigkeit werde bey meiner Rückkunft Vorschläge zu thun mir die Freyheit nehmen.

[264] Die Fürstl. Schwarzenbergische Familie hat mich mit besonderer Gunst in ihrem Zirckel ausgezeichnet. Graf Bouqoy empfiel sich zu Gnaden, er ist noch immer gleich aufmercksam auf alles Wissenschaftliche und gleich thätig im Technischen. Capo d'Istria ist mein Hausgenosse, gestern machte ich seine Bekanntschaft.

Vor allem aber hätte erwähnen sollen daß Fr. Gräfinn Odonel in Franzenbrunn, bey meiner Durchfahrt getroffen, und von hier aus einigemal Briefe gewechselt. Sie bleibt Ew. Hoheit immer in Gedancken anhänglich und der große Verlust hat in ihrem Gemüth den Werth älterer Freunde nur erhöht. Am 19ten hoffe sie hier zu sehen.

Die Absichten Ew. Königl. Hoheit auf den Hochwieserischen Nachlaß schienen mir nicht besser zu fördern als daß ich Frau v. Brentano um Rath fragte. Was sie vorgeschlagen und eingeleitet erhellt aus beyliegendem Schreiben. Wenn Friedr. Schlosser, der Vormund, das Nähere meldet lege solches alsbald vor und erbitte weitere Befehle.

Nun aber will ich ganz harmonisch abschließen indem ich vermelde daß Mad. Catalani sich hier aufhält und sich schon mehrmals öffentlich und abgeschlossen hören lies. Sagen läßt sich nichts über dies seltene Natur- und Kunstproduckt. Hier stehe ein Impromtü das ihr Gesang einem enthusiastischen Verehrer ablockte:


[265] Im Zimmer, wie im hohen Saal
Hört man sich nimmer satt:
Denn man begreift zum erstenmal
Warum man Ohren hat.

Möge die Harmonie des Lebens Ew. Königl. Hoheit immer umschweben!

unterthänigst

B. d. 15. Aug. 1818.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1818. An den Großherzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7476-9