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An Charlotte von Stein

Neustadt an der Orla d. 27. Jun. 85.

Ich schreibe dir gleich um dich aus der Sorge zu bringen in der du meinetwegen seyn musst. Leider sind wir noch hier und verpassen die schönen Tage.

Du kannst dencken wie weh es uns anfangs that, die solang gespaarten und so glücklich herbeygekommenen Stunden so schlecht zu zu bringen.

Es war ein Übel ienem im Winter ähnlich, nur nicht so starck noch so schmerzhafft. Jetzt ist es meist vorbey der Backen nur noch geschwollen. NB. es ist die Gegenseite, die Rechte. Loder war heute hier und hat mir allerley zurückgelassen das weiter helfen soll. Bishierher habe ich selbst gepfuscht.

[70] Alles kommt darauf an sagt Hamlet daß man gefaßt ist. Es waren böse Tage, an sich selbst und durch den Gegensaz des was wir hofften.

Gestern war die Hendrich bey mir und Mingen.

Wenn ich dich nur wohl antreffe das ist meine nächste Sorge.

Wir wollen doch über Hof gehn um nur unsre solange sehnlich im Geist besuchten Gipfel wenigstens in der Ferne mit Augen zu sehen. Knebel hält gar treulich aus. Er sagte: Unsre Reise konnte nicht ganz gut ablaufen sie war zu vorsichtig und klug ausgedacht. Grüse Herders.

Diese Tage sind fast ganz für mich verlohren. Ausser daß ich Hamlet viel studirt habe. Heut ist das schönste Wetter von der Welt. Ich erlaube mir kein Murren. Wird die Sonne doch schön leuchten wenn wir im Grabe liegen, warum sollt es uns verdriesen daß sie ihre Schuldigkeit thut, wenn wir Stube und Bette hüten müssen.

Ich rechne künftigen Donnerstags von hier abzugehn, du erhältst auf alle Fälle noch einen Brief von mir eh ich dich sehe.

Knebel hat schon einen ganzen Kasten Steine zusammengebracht. Der alte Büttner war mit Lodern hier. Das ist all mein neues. Lebe wohl du liebes a und o du Inbegriff meiner Freuden und Schmerzen, da ich dich nicht habe was kann ich besitzen, da du mein bist was kann mir fehlen.

G.

[71] Mein Mikrosop bring ich mit, es ist die beste Zeit die Tänze der Infusionsthiergen zu sehen. Sie haben mir schon groses Vergnügen gemacht. Lebe wohl.

Ach wer die Sehnsucht kennt!

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1785. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7496-3