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An Ernst Wolfgang Behrisch

[Leipzig, 13. October 1767.]

Noch so eine Nacht, wie diese, Behrisch, und ich komme für alle meine Sünden nicht in die Hölle. Du magst ruhig geschlafen haben, aber ein eifersüchtiger Liebhaber, der ebensoviel Champagner getruncken hatte, als er brauchte um sein Blut in eine angenehme Hitze zu setzen und seine Einbildungskraft aufs äuserste zu entzünden! Erst konnt ich nicht schlafen, wältzte mich im Bette, sprang auf, raßte; und dann ward ich müde und schlief ein; aber wie lange, da hatte ich dumme Träume von langen Leuten, Federhüten, Tobackspfeifen, Tours d'adresse, Tours de passe passe, und darüber wachte ich auf, und gab alles zum Teufel. Darnach hatte ich eine ruhige Stunde, hübsche Träume. Die gewöhnlichen Minen, die Wincke an der Tühre, die Küsse im Vorbeyfliegen, und dann auf einmal, Ft. Da hatte sie mich in einen Sack gesteckt. Ein rechter Taschenspielerstreich. Meerschweingen hext man wohl vorm Peters tohre hinein, aber einen Menschen wie mich das ist unerhört. Aber so unwahrscheinlich es mir vorkam, so wahr fühlte ich es. Ich philosophirte im Sacke und jammerte ein duzend Allegorien im Geschmack vom Schäckespear wenn er reimt. Darnach schien mirs als wenn ich weg wäre, weg von ihr aber nicht aus dem Sacke, ich wünschte mich in Freiheit und wachte auf. Der verfluchte Sack lag mir [105] im Kopfe. Da kam mirs auf einmal ein, daß ich dich nicht wiedersehen würde |: denn das hatte ich mir fest vorgenommen und binn es noch halb schlüssig :| und das fühlte ich, in einem Augenblick, da ich dem Teufel nicht 6 Pfennige gegeben hätte meine kleine aus seinen Krallen zu kaufen, in einem Fieberparoxismus da mir der Kopf taumelicht war. Ich riß mein Bett durch einander, verzehrte ein Stückgen Schnupftuch und schlief biß 8 auf den Trümmern meines Bettpallastes. Das hieß recht wie bey einer Henckermahlzeit, der Teufel geseegne es euch. Sonst ist mir alles wohl bekommen, ausser die Dosis Taschenspielerkünste, wofür Sie sich beym Meister in meinem Nahmen abfinden können. Thu es immer Behrisch und räche mich und dich. Ich will weise seyn, das heißt bei einem Liebhaber stille seyn, es ist eine neue Aquisition zur Pistolen Sammlung die ich diese Messe angefangen habe. Denn ein Schmollen ein Lärm würde mich nichts helfen! Sie hat solche maulstopfende Redensarten die du kennst, und da bleibt der Ankläger wie ein benet stehen wenn Sie ihm so was zu geniesen giebt. Sage du ihr immer auch was, alles was du gestern zu mir sagtest, gebe ihr deutlich zu verstehen daß du ihre Liebe zu mir so mittelmäßig glaubest als die Freundschaft zu dir. Sie wird tolle werden, denn sie weiß daß du sehr tonum persuadendi über mich hast. Ja apropos wann willst du hinunter gehen. Ich werde nicht unten seyn, denn eine gewisse [106] Art von Kälte kann auf diesn und die nächsten Tage nicht schaden, und wenn sie sich übermorgen drüber beklagt, so schiebe ich die Schuld auf's Wetter.

Lebe also wohl und komme im Kohte nicht um. Wolltest du mich vor deiner Abreise noch einmal sehen, so komme um 5. 6. zu mir, aber NB nach der Affaire von unten.

Da hast du Annetten. Es ist ein verwünschtes Mädgen. Der Sack! Der Sack!

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1767. An Ernst Wolfgang Behrisch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-74D2-C