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An den Herzog Carl August

Daß die Herren Abiturienten in Jena auch mich in ihre schmutzige Sache ziehen möchten giebt mich nicht Wunder, da sie zu Deckung ihrer Schande nach allen Seiten herumgreifen.

Mit meiner Unterhaltung mit Herrn Griesbach verhält es sich folgendermaßen: [283] Ich sah den würdigen, so sehr kranken Mann, täglich, früh, durch den Schloßhof fahren, um seiner Lehrer-Pflicht unausgesetzte Folge zu leisten. Da ich, bey meinem kurzen Aufenthalt und der großen Hitze, ihn in seinem Garten, wie ich sonst wohl thue, nicht besuchen konnte, ließ ich mich früh, als er herein gefahren war, bey ihm anmelden und ging um 9 Uhr, als sein erstes Collegium geendigt war, zu ihm hinüber. Ich wünschte ihm und uns zu seiner beharrlichen Thätigkeit Glück, worauf denn, natürlicher Weise, das Gespräch auf die gegenwärtige Lage der Akademie fiel. Ich erinnere mich einiger bedeutenden Stellen des Gesprächs recht gut und habe sogar seine eigentlichen Worte in einem Brief an Herrn von Ziegesar wiederholt gefunden; daß aber von der Versetzung der Litteraturzeitung nach Würzburg, auf irgend eine bedeutende Weise, die Rede gewesen, erinnere ich mich nicht; ja ich erinnere mich nicht einmal deutlich daß davon die Rede gewesen.

Nimmt man nun dazu daß seit geraumer Zeit zwischen Herrn Griesbach und mir kein officielles Verhältniß vorgefallen, so wie ich mich überhaupt seit geraumer Zeit nur als Freund der Wissenschaften und der verdienten Lehrer gerirt; ingleichen daß meines Gedenkens Herr Griesbach sein Verhältniß zur Litteraturzeitung gegen mich niemals verlauten lassen; so tritt der Ungrund jener Vorspiegelung noch mehr zu Tage.

[284] Ich füge noch einige Bemerkungen hinzu:

Dieser Besuch war keineswegs eine von Herrn Griesbach veranlaßte Zusammenkunft, wie es sich geziemt hätte, wenn derselbe mir irgend etwas officielles hätte communiciren wollen, sondern eine freundschaftliche, ich kann wohl sagen, herzliche Attention, den Tag vor meiner Abreise. Wie hätte denn Herr Griesbach diesen vorgeblichen Auftrag ausgerichtet, wenn ich abgereist wäre, ohne mich bey ihm melden zu lassen.

Mein Besuch geschah, wie ich aus meinem Tagbuch sehe, Montag den 10. August. In beyliegenden Acten sehe man fol. 9 einen Griesbachischen Brief vom 24. Aug. an Herrn Geheime Rath Voigt, als an die rechte Instanz. In diesem Briefe gerirt er sich aber mals keineswegs officiell, indem er etwa von Seiten der Unternehmer der Litteraturzeitung die Versetzung derselben nach Halle ankündigte; sondern er spricht aus den Zeitungen und giebt, als ein biederer Patriot, seine Besorgnisse zu erkennen. Er gedenkt mit keiner Sylbe einer, vor 14 Tagen, an mich gethanen officiellen Erklärung, wie es doch erforderlich gewesen wäre, so wenig als Herr Legationsrath Bertuch, indem derselbe am 25. Aug. die wirklich erste officielle Anzeige, bey Herrn Geheime Rath Voigt, anbringt, einer schon an mich gelangten erwähnt.

Nach diesem überlasse die Qualification der Loderischen Äußerungen höherem Ermessen und bedaure[285] nur, daß Männer, die ihre Zeit in Klätschereyen nicht zu verderben glauben, andere, die ihre Stunden besser anzuwenden wissen, zu einem ähnlichen Zeitverlust nöthigen dürfen.

Nachdem ich vorstehendes mit möglichster Sammlung dictirt, habe ich den Loderischen Aufsatz nochmals durchgelesen und kann die Indignation nicht bergen, welche die dreymalige Wiederholung des ganz grundlosen Vorgebens, der Officialität jener Zusammenkunft, in mir erregt. Wie mögen die übrigen Gründe der Entschuldigung beschaffen seyn, wenn ein Hauptgrund völlig erdichtet ist.

Man bemerke ferner das Insidiose der Äußerung, da sie zum erstenmal vorkommt. Es heißt: »Beyde Herren Directoren der allgemeinen Litteraturzeitung versicherten mich«. Wer sind die beyden Directoren? doch wohl Schütz und Bertuch? also nicht Herr Griesbach, also nicht etwa vorliegende Acten, belehrten den Schreiber. Zum gelindesten genommen erscheint hier die Loderische leichtsinnige Übereilung in ihrem höchsten Lichte.

Weimar am 1. Sept. 1803.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1803. An den Herzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7517-C