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An Charlotte von Stein

Deine Gegenwart hat auf mein Herz eine wunderbaare Würckung gehabt, ich kann nicht sagen wie mir ist! mir ist wohl und doch so träumig. Zeichnen konnt ich gestern nicht. Ich sass auf Wizlebens Felsen, die herrlich sind und konnt nichts hervorbringen da schrieb ich dir:


Ach wie bist du mir,
Wie bin ich dir geblieben!
Nein an der Wahrheit
Verzweifl ich nicht mehr.
Ach wenn du da bist,
Fühl ich, ich soll dich nicht lieben
Ach wenn du fern bist,
Fühl ich ich lieb dich so sehr.

Heut will ich auf den Hermanstein, und womöglich die Höhle zeichnen hab auch Meisel und Hammer die Inschrifft zu machen die sehr mystisch werden [93] wird. Ihr Zettelgen hab ich kriegt, hab mich viel gefreut – Ich schwöre dir ich weis nicht wie mir ist. Wenn ich so dencke, dass Sie mit in meiner Höhle war, daß ich ihre Hand hielt indeß sie sich bückte und ein Zeichen in den Staub schrieb!!! Es ist wie in der Geisterwelt, ist mir auch wie in der Geisterwelt. Ein Gefühl ohne Gefühl. Lieber Engel! Ich hab an meinem Falcken geschrieben, meine Giovanna wird viel von Lili haben, du erlaubst mir aber doch dass ich einige Tropfen deines Wesen's drein giesse, nur so viel es braucht um zu tingiren. Dein Verhältniß zu mir ist so heilig sonderbaar, daß ich erst recht bey dieser Gelegenheit fühlte: es kann nicht mit Worten ausgedrückt werden, Menschen könnens nicht sehen. Vielleicht macht mir's einige Augenblicke wohl, meine verklungenen Leiden wieder als Drama zu verkehren. Adieu liebe. d. 8. Aug. 76. Ilmenau.

Auf dem Gabelbach. Es ist bald 3. der Herzog ist noch nicht von der Jagd er wird hier essen. Von meinem Morgen auf dem Hermannstein sollst du was sehen, vielleicht auch was lesen. Addio. Du bist immer bey mir.

Stüzzerbach Nachts bey Tisch. Ich hab heute den ganzen Tag für dich gezeichnet, nicht immer glücklich, aber immer warm. Heut aber sass ich wieder hier [94] auf dem Schloßberg und hatte einen guten Augenblick. Wie erwünscht lag eben der Sonnenblick den Moment da ich aufstieg im Thal wie ich ihn aufs Papier fesseln mögt. – Ich muss nur für dich zeichnen, du thust das dazu was ich nicht machen kann.

Von heute früh, von heut dem ganzen Tag! kann ich nichts sagen! Engel – Geh nur in die Schweiz – Gute Nacht. gute Nacht.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1776. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-756B-0