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An Leopold Dorotheus von Henning

Entoptischer Apparat, nach Berlin zu senden.


I. Gestell. Dieses wird bey'm Experimentiren so gerichtet, daß der Stab dem Beobachter rechter Hand bleibt und der Boden, wie der Pfeil ausweis't, nicht gegen die Sonnenseite, sondern irgend eine klare Himmelsgegend gekehrt sey. Man thut überhaupt wohl, besonders wenn man andere unterrichten und überzeugen will, wo möglich bey reinem Himmel zu experimentiren.

II. Mittelstück. Mit messingnem viereckten Rahmen, bestimmt um die Glasplatten und anderen entoptischen Körper darauf zulege. Man schiebt es in den gespaltenen Stab und schraubt es an. Auf dem Rahmen liegt ein Glasplättchen mit Pappeeinfassung, damit die kleineren Tafeln und Körper nicht durchfallen. Experimentirt man mit größeren, so wird es herunter genommen.

III. Oberes Stück mit Messingblech und Schraube; über dem Vohergehenden einzuschieben und anzuschrauben.

IV. Oberer Spiegel, wird in die gedachte Schraube eingeschraubt.

V. Unterer Spiegel, wird genau auf das bezeichnete Quadrat, das der Pfeil durchschneidet, gegen das Himmelslicht aufgestellt. An demselben mußte [39] unten ein Keil angeschraubt werden, um dem Spiegel vorn etwas höhere Richtung zu geben, daß das Himmelslicht oder jedes beliebige Bild zum oberen Spiegel durch den messingenen Rahmen gelangen könne.

VI. Entoptische Platten, viereckt, an der Zahl vier. Diese werden nach und nach zwischen den Spiegeln auf der Scheibe Nr. II über einander gelegt, damit man das Wachsthum der Figuren beobachten könne. NB. Mit beiden Täfelchen läßt sich der erste einfachste Grundversuch, Seite 130, V, gar glücklich darstellen, wenn man kurz nach Sonnenuntergang experimentirt.

VII. Entoptische Plättchen, dreyeckt, an der Zahl drey; zeigen einzeln und zusammen das Phänomen deutlich.

VIII. Dergleichen, rund, an der Zahl drey. Nicht ganz deutliches Phänomen.

IX. Ein formloses desgleichen, deshalb sehr interessant, weil sich die Erscheinung nach der unregelmäßigen Gestalt der Glasplatte richtet.

X. Größerer, aus Platten zusammengesetzter Cubus, nicht gut gerathen, zu düster, zeigt aber doch bey klarem Himmel die Erscheinung ganz erträglich, besonders kann man bey'm schwarzen Kreuz die Entstehung desselben aus zwey von den Ecken her zusammenrückenden Monden recht gut gewahr werden.

[40] XI. Kleinster Cubus, die Erscheinung auf das schönste zeigend. Da er einigermaßen parallelipipedisch ist, so gibt er, je nach dem man ihn auflegt, etwas veränderte Gestalten. Wenn man ihn auf den schwarzen Spiegel legt und gegen die drey Himmelsgegenden (der Sonne gegenüber und zu beiden Seiten) hinhält, kann man den zweyten gesteigerten Versuch, VI. p. 131, auf das überzeugendste anstellen.

XII. Glimmerplättchen, in eine Charte eingerahmt, an der langen Seite des Sechsecks identisch mit der Erscheinung, an den kurzen Seiten sie umkehrend und zugleich färbend.

XIII. Dergleichen, aber nicht so rein und deutlich. Eine durchgeschnittene Charte liegt bey, damit Sie das Seite 150 empfohlene Verfahren selbst anstellen können,

XIV. Trinkglas, dessen Rand zu Versinnlichung aller Wirkung der Trübe hinreicht.

a) Man fasse solches am Henkel und halte es gegen den Himmel; so wird der Rand hochgelb erscheinen.

b) Man senke es herunter, so daß es zwar noch beleuchtet sey, aber der dunkle Grund der Fensterbrüstung durchscheine; so wird man Grün sehen.

c) Man kehre dem Licht den Rücken und halte das Glas gegen schwarzen Grund; so erscheint ein Himmelblau.

[41] d) Bringt man es vor einem hellgrauen Grund; so erscheint ein leichtes Violett.

Die Möglichkeit, alle Farben aus der durch Licht und Finsterniß bedingten Trübe abzuleiten, muß in die Augen fallen. Man bittet dieses Glas in Ehren zu halten, weil ein gleiches nicht leicht zu finden seyn möchte.

XV. Baumartig schimmerndes Metall, als nächstes Analogon der entoptischen Erscheinung. (Damast ist nicht beygelegt, da er überall zu haben.)

XVI. Messingschraube zu dem Spannungsversuch nach Brewster, mit dem nöthigen Plättchen.

In der Pappe befinden sich:

a) Die Tafeln zur Farbenlehre; wenn Sie solche auf Pappe ziehen lassen, so haben Sie dieselbe bey der Demonstration immer zur Hand.

b) Colorirte Zeichnungen, den zweifelhaften prismathischen Fall aufklärend.

c) Verschiedene flache Zubehörungen des Apparats.

In der Schachtel finden sich die kleineren Theile des Apparats.

Alles ist mit Nummern vorliegender Beschreibung nummerirt.

Man bittet, bey'm Auspacken vorsichtig zu Werke zu gehen, damit die Nummern nicht verwechselt werden.

Die mit Roth vorgestrichenen Nummern muß mir nach gemachtem Gebrauch zurück erbitten.

[42] Sehr schöne Beispiele von aufgeschmolzener Trübe finden sich unter den alten Glasfenstern. Herr von Ragler besitzt gewiß unter seinen Fragmenten deren manche, womit er Ihnen vielleicht zu Hülfe kommt.

Auch können Sie dieses Einschmelzens vielleicht die tüchtigen Künstler der Porcellanfabrik interessiren, denen dergleichen schon bekannt geworden.

Hiemit will ich dießmal schließen und Sie ersuchen, mir von weiteren Fortschritten Nachricht zu geben.

Zu allem, was Sie wünschen und bedürfen mögen, willig und bereit.

Weimar den 16. May 1822.

Goethe.

Sonntag den 19. ejusdem geht der Kasten wohlgepackt mit der fahrenden Post ab.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1822. An Leopold Dorotheus von Henning. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7575-7