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An den Grafen David von Alopeus

[Concept.]

[25. März 1826.]

Hochgeborner Graf,
Hochzuverehrender Herr.

In dem Augenblicke, da mir von Berlin durch allerhöchste Gnade ein für mich unschätzbares Document[331] des wichtigsten Inhalts und der würdigsten Form zukommt und mich zu der gefühltesten Dankbarkeit aufruft, erhalte ich durch Ew. Excellenz ungemeine Aufmerksamkeit einen Kunstschatz auf welchen ich so lange begierig war, der in meinen Sammlungen eine höchst bedeutende Lücke auszufüllen geeignet ist.

Da meine nächste Umgebung an bedeutenden Kunstwerken nicht reich genannt werden kann, und meine Jahre mir verbieten, die Anschauung derselben auswärts aufzusuchen; so bleibt mein höchstes Bestreben, jedes Angenäherte, Abgeleitete, auf das Vortrefflichste Hindeutende, davon sich Herschreibende immer vor Augen zu haben um mich daran zu erquicken und zu belehren.

Unter solche Gegenstände gehören nun ganz ohne Zweifel die geschnittenen Steine, die uns den hohen Geist der Vorzeit, in einen engen Raum gebannt, getreu erhalten und zuverlässig, auch verlorene Kunstwerke in den glücklichsten Nachbildungen vor's Auge stellen.

Gar manche solcher Sammlungen besaß ich bisher; nur dasjenige, was in Petersburg aufbewahrt ist, war mir noch nicht beschieden, und so wünsche ich nur, daß der geneigte Geber sich überzeugen möge, wie der bey jedem Beschauen erneuerte Dank sich durch wahrhafte Schätzung des Verliehenen eines solchen Besitzes werth zu stellen trachtet.

Seit geraumer Zeit war mir bekannt, daß die herrliche Kaiserstadt auch in der Art wichtige Schätze [332] aufbewahrt; nun kann ich an diesen trefflich gelungenen Abgüssen gar wohl erkennen und unterscheiden, was für kostbare Denkmale des Alterthums nach und nach dorthin gelangt sind, indem uns hier die würdigsten Kleinode sonstiger Sammlungen abermals entgegen kommen. Überwiegend ist sodann die Zahl uns bisher unbekannter auf die wichtigsten Gegenstände und eigenste Kunstepochen hindeutender Exemplare.

Verzeihen Ew. Excellenz dieser vielleicht zu weitläuftigen Ausführung; aber ich könnte gar wohl verleitet werden noch weiter zu gehen, um im Einzelnen anzuzeigen, wie höchst schätzbar mir dieses unerwartete Geschenk begegnen mußte. Habe es also bey dieser allgemeinen Andeutung sein Bewenden, um so mehr, da Ew. Excellenz als Kenner diese herrlichen Perlen aus dem Ocean der Vorzeit selbst zu schätzen verstehen und deshalb meinen Dank für den anerkannten Werth der Gabe in dem Falle sind, sich selbst auszulegen pp.

Weimar den 15. März 1826.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1826. An den Grafen David von Alopeus. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7579-0