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An Christiane Vulpius

Da ich so lange von dir wegbleibe, so muß ich auch ein Blat von meiner eignen Hand schicken und dir sagen daß ich dich von Herzen liebe und immer [195] an dich und an das gute Kind dencke. Die ersten vierzehn Tage habe ich fleißig zugebracht aber es waren nur einzelne Sachen die nicht viel auf sich hatten. Zuletzt machte ich mich an eine Arbeit die mir zu gelingen anfing. Du hast mich wohl sagen hören daß Durchl. der Herzog ein französches Trauerspiel übersetzt wünsche ich konnte immer damit nicht zurecht kommen. Endlich habe ich dem Stück die rechte Seite abgewonnen und die Arbeit geht von Statten. Wenn ich mein mögliches thue, so bin ich bis den 12ten fertig und will den 13ten abgehen. Biß ich das Stück ins reine bringe und es spielen lasse hab ich doch in den trüben Wintertagen etwas interessantes vor mir und dann wollen mir uns zusammen setzen und es ansehen.

Daneben hab ich noch manchen Vortheil und Genuß durch Schillers Umgang und andrer, so daß ich meine Zeit gut anwende und für die Folge manchen Nutzen sehe. Das wird dich freuen zu hören weil es gut ist und mir für die nächst Zeit gutes verspricht.

Ich bin übrigens recht wohl und lebe sehr einfach. Auch bin ich viel spazieren gegangen, diese acht Tage in denen ich das Pferd mußte stehen lassen. Es ist wieder ganz geheilt. Der Stallmeister hat seine Kur recht gut gemacht. Ich werde ihm dafür ein halb Duzzend Bouteillen Wein verehren.

[196] Die Trabitius bleicht schon an deiner Baumwolle im Hofe, und hat sie doppelt mit roth unterbunden, weil sie seiner ist als die übrigen Stränge, um sie ja nicht zu verwechseln.

In wenig Zeit bin ich wieder bey dir und dann wollen wir manche gute Stunde zusammen zu bringen.

Was die Menschen überhaupt betrifft so thu ihnen nur soviel Gefälligkeiten als du kannst, ohne Danck von ihnen zu erwarten. Im einzelnen hat man alsdann manchen Verdruß, im Ganzen bleibt immer ein gutes Verhältniß.

Lebe recht wohl. Behalte mich lieb, wie mein Herz immer an dir und an dem Kinde hängt. Wenn man mit sich selbst einig ist und mit seinen nächsten das ist auf der Welt das beste.

Jena d. 3. Octbr. 99.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1799. An Christiane Vulpius. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-759F-D