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An den Großherzog Carl August

[Concept.]

[Jena, 3. April 1818.]

1) Es wird von großer Bedeutung seyn, wenn jene Camelia reifen Samen tragen sollte. Ich habe das Innere der schönen Krone genau untersucht, und alle die, Dachziegelartig übereinander geschobenen Blätter, die man gar wohl für Nectarien ansprechen kann, ließen keine Spur von Antheren seyn. Eben so interessant ist daß der Fruchtknoten etwas orangeartiges zeigt, da das natürliche System die Camelien dorthin annähert.

2) Die beiden sorgfältigen denckend-praktischen Pflanzenfreunde Cushing und de Courset machen mir große Freude. Wer die Resultate will muß auf die Mittel achten, und so haben sie die beiden Haupterfordernisse Boden und Klima immer im Auge. Japan ist überall wo man es zu erschaffen weiß. [123] Hat sich doch der Keulenbaum in Belvedere einheimisch gefühlt.

3) Den Aufsatz über's Abendmahl lasse ich durch Lavés in's Französische übersetzen um den Mailändischen Freunden einigermaßen freundlich entgegen zu kommen. In dieser Sache ist aber etwas Seltsames das ich noch nicht zu entziffern weiß. Schon die wenigen Worte welche Cattaneo auf die Tecturen der Lucidi schrieb sind durchaus zu Bossis Ungunsten, und ich habe mich deshalb mit rednerischen Phrasen hingeholfen. Nun aber in seinem letzten Briefe, in welchem er mir nähere Erläuterungen über Bossis Leben giebt, bringt er eine so verwünschte Schilderung, daß der arme verblichene Teufel auf ewig vor dem Publicum verloren wäre, könnte ich täppisch genug seyn mich dieser Notizen, so wie sie da liegen zu bedienen. Wenn vom Parnaß die Rede seyn wird muß ich mir erst einen eignen Bossi machen, soll der Mensch und das Bild dem Deutschen erfreulich werden. Diese Italiener sind seltsame Personen, hohle Enkomiasten in ihren öffentlichen Vorträgen, heimliche Detractoren wenn sie Gelegenheit finden. Ich muß mich sehr irren oder Cattaneo hat in der Stille mit Graf Verri dem Gegner Bossis conspirirt.

Verzeihen Ew. Hoheit diese verdachtlichen Vorstellungen dem Alten auf dem Tannenhorst. Gutem Willen eines Jeden will ich gerne nachhelfen, wo ich aber Mißwollen fühle, bin ich auf meiner Hut, [124] um mich nicht unversehns als Mitschuldigen zu ertappen.

4) Ew. Königlichen Hoheit Wohlbefinden, durch Döbereiner bestätigt, hat mir die Ankunft dieses geschickten muntern Mannes dreyfach erfreulich ge macht. Das Concept seiner Tabelle ist höchst angenehm übersichtlich, wo Traditionen und Vorurtheile immer nur im Dunkeln ließen.

Auch sind die Versuche über die Differenz der Luftarten in den Gewächshäusern besonders die über der Blumenpyramide höchst wichtig. Auch ist mir auf meinem Wege die neuste, so genaue als geistreiche Chemie höchst förderlich geworden.

5) Decandolle Catalog des südlichen botanischen Gartens, der gar viel Freundliches zu denken giebt, folgt hierbey. Möchten Ew. Hoheit befehlen daß Decandolle Théorie élémentaire de la Botanique verschrieben würde, so wäre es für mich ein großer Gewinn. In Leipzig woher ich ihn eiligst verlangte war er nicht zu finden. Auszüge belehren mich wie er von seiner Seite die Metamorphose der Pflanzen darstellt; ich darf mir aber noch immer einbilden, daß meine Methode reiner und zugleich faßlicher und also besser ist. Da ich diese Dinge in meinen Heften wieder anknüpfe; so möchte ich nicht unbekannt scheinen mit dem was unsere Zeitgenossen denken und sinnen.

6) Auf einem Spaziergang entdeckte ich gestern die seltsamen Naturwesen, die sich von abgebissenem Gras, [125] wie jene Schweizer Geschöpfe von Steinen, eine Hülle bilden um dahinter zur Vollkommenheit zu gelangen. Mögen sie lebendig und thätig die kleine Reise vollenden!

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1818. An den Großherzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-75D4-4