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An Johann Heinrich Meyer
Auf Ihren lieben Brief vom 8. Januar will ich sogleich einiges erwiedern um den guten Gang unserer Correspondenz zu erhalten. Ich freue mich zu sehen wie es Ihnen geht und das nur wie vorauszusehen war, des guten zu viel ist. Sobald man die Dinge nicht nur eben nehmen will, wie sie sich uns zeigen und sie etwa nach seiner Art genießen oder verarbeiten will, wenn man tiefer in die Werke der Natur und Kunst einzudringen, wenn man seine Kenntnisse auf das innigste und beste auszubilden gedenkt, dann sieht man erst die Unzulänglichkeit unserer Kräfte, und die Eingeschränktheit der Zeit die uns gegeben ist.
Wir haben uns, mein lieber Freund, freylich ein sehr weites und breites Pensum vorgesteckt und das war, der Übersicht wegen, sehr gut; aber ich bin doch immer davor, daß wir beym einzelnen gründlich sind und weder Ihre noch meine Natur wird in einer gewissen Allgemeinheit ein Vergnügen finden, in der man je weiter man vorrückt immer deutlicher sieht daß man anders hätte anfangen sollen. Gehen Sie so genau zu Werke als es Ihre Natur heischt, seyn Sie in dem was Sie nachbilden so ausführlich um sich selbst genug zu thun, wählen Sie nach eigenem Gefühle, wenden Sie die nöthige Zeit auf und denken Sie immer: daß wir nur eigentlich für uns selbst [21] arbeiten. Kann das jemand in der Folge gefallen oder dienen, so ist es auch gut. Der Zweck des Lebens ist das Leben selbst und so lassen Sie auch Ihren Aufenthalt in Rom Ihren Zweck seyn. In diesem Sinne bereit ich mich auch vor, und wenn wir nach innen das unsrige gethan haben, so wird sich das nach außen von selbst geben.
Das Werk des Cellini über die Goldschmiede- und Bildhauerkunst habe ich von Göttingen erhalten und zu lesen angefangen. Die Vorrede enthält noch recht hübsche Nachrichten von ihm, und in dem Werke selbst finden sich die bestimmtesten mechanischen Anweisungen. Vielleicht findet sich in der Folge Gelegenheit den Zustand der jetzigen Künste und Handwerke was das mechanische betrifft mit jenen Zeiten zu vergleichen.
Es ist mir dabey eine Bemerkung aufgefallen die ich Ihnen mittheilen will. Italien lag in dem 15. Jahrhundert mit der übrigen Welt noch in der Barbarey. Der Barbar weiß die Kunst nicht zu schätzen, als in so fern sie ihm unmittelbar zur Zierde dient, daher war die Goldschmiedearbeit in jenen Zeiten schon so weit getrieben, als man mit den übrigen noch so sehr zurück war und aus den Werkstätten der Goldschmiede gingen durch äußere Anlässe und Aufmunterung die ersten trefflichen Meister anderer Künste hervor. Donatello, Brunellesco, Ghiberti, waren sämmtlich zuerst Goldschmiede. Es wird dieses zu guten Betrachtungen Anlaß geben. Und sind wir [22] nicht auch wieder als Barbaren anzusehen? da nun alle unsere Kunst sich wieder auf Zierrath bezieht.
Ich bin bey dieser Gelegenheit auch wieder an des Cellini Lebensbeischreibung gerathen, es scheint mir unmöglich einen Auszug daraus zu machen, denn was ist das menschliche Leben im Auszuge? alle pragmatische biographische Charakteristik muß sich vor dem naiven Detail eines bedeutenden Lebens verkriechen. Ich will nun den Versuch einer Übersetzung machen, die aber schwerer ist als man glaubt.
Sobald mein Roman fertig ist, will ich sehen was mir sonst noch zu thun übrig bleibt und näher an meine Reise denken. Alles kommt darauf an was für Beschäftigung Sie in Rom finden und in wie fern sich Ihr Aufenthalt daselbst verlängern wird. Lassen Sie uns nur fleißig schreiben und es wird bis in den Juni schon klar werden was zu thun ist.
Schreiben Sie mir doch etwas näheres über die Gegenstände der Kunst aus der Kantischen Philosophie, wir wollen dieser und anderer Späße in unsern Distichen nicht vergessen.
Fräulein Imhof hat das Portrait eines ihrer Geschwister mit Farbe gezeichnet, worüber ich erstaunen mußte. Hätte sie mir es nicht selbst zugeschickt, so hätte ich nicht gewußt wem ichs zuschreiben sollte.
Was den Auftrag Durchl. des Herzogs betrifft so sehen Sie nur eben sachte zu ob sich etwas finden sollte, man ist weder sehr pressiert noch sehr entschieden. [23] Gore hat schon wieder einen andern Vorschlag gethan: durch einen gewissen Schneider von Mainz, einen Mann der ganz geschickt ist, ein paar Claude in Cassel copiren zu lassen, was daraus werden kann oder wird, läßt sich schwerlich sagen.
Schiller ist sehr fleißig und Sie werden gute Sachen von ihm in den Horen finden. Er hat sich in dem ästethischen Fache zu einer großen Consequenz durchgedacht und ich bin neugierig, wie es mit dieser gleichsam neuen Lehre gehen wird, wenn sie im Publiko zur Contestation kömmt. Da sie mit unserer Denkungsart homogen ist; so wird uns auch auf unserm Wege dadurch großer Vortheil gebracht.
Ich habe zu einer neuen Oper 3 Decorationen oder vielmehr nur 3 Hintergründe erfunden, womit ich im Ganzen leidlich zufrieden bin, um so mehr als sie auch ihre Wirkung gethan und Beyfall erhalten haben. Die erste ist ein Bauernhof, in edlerm Style, wo ich das was man vom Ursprung der Baukunst zu sagen pflegt, angebracht habe. Die zweyte eine Gegend mit Felsen und Palmen, in dem Sinne wie Ihre Landschaft mit dem Altar. Es ist merkwürdig daß Eckebrecht den Hauptpunct worauf es ankommt bey dieser Gelegenheit recht gut gefaßt hat. Die Absonderung und Entgegenstellung der Farben ist ihm recht gut gerathen, sogar die farbigen Schatten hat er, wiewohl etwas outrirt, angebracht. Ich erwartete gar nicht daß er meine Anweisungen als Prinzip [24] fassen sollte, denn ich gab sie nur als Lehre für den gegenwärtigen Fall. Ich werde künftig keine Gelegenheit vorüber lassen um eben auf dem Theater im großen die Effecte zu sehen. Zur dritten Decoration hatte ich solche gewundene und gezierte Säulen componirt und transparent mahlen lassen wie sie in den Raphaelischen Cartons, bey der Heilung des Lahmen, in einer Vorhalle des Tempels stehn, diese haben, weil sie die brillantesten und reichsten am Schlusse des Stückes sind, natürlich den meisten Beyfall erhalten. So hilft man sich auf Leinwand und Pappe, um in dieser kunstlosen, höchst alltäglichen Welt wenigstens einigen Sinn und Interesse und Ahndung von einer künstlichen und harmonischen Darstellung zu erhalten.
abgegangen d. 8. Febr. 1796.
G.