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An Friedrich August Wolf
Unter die ersten Schulden, welche ich bey meiner Rückkunft abzutragen habe, gehört es gewiß, daß ich Ihnen, mein verehrter Freund, so lange nichts vernehmen ließ, und Ihre werthen Briefe sind mir zu meiner großen Freude geworden, und derjenige noch ganz zuletzt in diesen Tagen, welchen Sie dem Feldfuhrküchen-Meister übergaben, der mir Ihr Wohlbehagen in Aachen und Spaa gar freundlich meldete.
Ich sende daher ein kleines Resumée meiner ganz Reise, welches bey meinen Freunden ein langes Stillschweigen entschuldigen soll, da wenigstens soviel daraus ersichtlich ist, daß ich meine Zeit gut angewendet, und mich nach allerley Gutem und Schönem umzuthun nicht unterlassen. Mögen Sie mir dagegen[69] sagen, wie Sie es angestellt, um in Nachahmung jener heiligen Könige vom Niederrhein wieder nach Hause zu kommen, ohne daß Herodes und seine Genossen das Mindeste davon gewahr werden können; so erzeigen Sie mir dadurch eine große Liebe und Freundschaft.
Mögen Sie mir ferner vermelden, womit Sie Sich diesen Winter beschäftigen, und was Sie Ihren vortrefflichen Landesleuten zu Liebe oder zu Leid thun wollen; so werden Sie mich sehr verbinden. Ich beschäftige mich die Notamina dieses Sommers einigermaßen zu redigiren, daß mir von dem Eingesammelten so wenig als möglich verloren gehe, vielleicht macht Ihnen in der Folge ein Theil davon auch Vergnügen. Und nun das herzlichste Lebewohl
Weimar den 8. Nvbr. 1814.
um kürzere Pausen des Briefwechsels ersuchend
Goethe.
[Beilage.]
Am 25. July reiste ich von Weimar ab, und sah meine zu ihrem Vortheil sehr veränderte Vaterstadt, Nachts den 28., bey'm doppelten Schein des klarsten Mondes und einer Ihrer Majestät, dem König von Preußen gewidmeten Illumination, nach 17 Jahren zum erstenmal wieder. Gelangte den 29. ej. um Mitternacht nach Wiesbaden, wo ich denn, bey sehr heiterm Wetter, in Gesellschaft von alten und neuerworbenen Freunden, die Cur auf's regelmäßigste zu brauchen [70] anfing. Doch fehlte es nicht an Unterbrechungen. Die Sonntage fand ich an dem Hofe zu Biebrich eine gnädige Aufnahme. Am 3. August feyerte ich das hohe Geburtsfest in Maynz, mit dem dortigen Österreichischen und Preußischen Militär und den Einwohnern. Am 15. d. M. machte ich eine Ausflucht nach Rüdesheim in Gesellschaft meines Freundes Zelter und des Herrn Oberbergrath Cramer. Den 16. ej. wohnten wir der Einweihung der Rochus-Kapelle über Bingen bey, ein Fest, das wohl eine eigene Beschreibung verdient. Diese Gegenden, mit allen ihren Herrlichkeiten, waren mir so gut als neu, und ich hatte mir in denselben wieder den Muth geholt, die Badecur fortzusetzen. Gegen Ende des Monats hatte ich das Glück in Maynz und Wiesbaden Durchl. Herzog von Weimar zu verehren, welchen den Weg von Aachen nach Hause durch diese Gegenden trug.
Vom 1. bis zum 8. September verweilte ich im Rheingau, dessen Genuß und Übersicht ich der Brentanoschen Familie schuldig geworden. Das rechte und linke Rheinufer lernte ich in der besten Gesellschaft und unter den günstigsten Umständen kennen. Nach Wiesbaden zurückgekehrt, fand ich in des Herrn Oberbergrath Cramers vortrefflichem Kabinett, durch Güte und einsichtige Mittheilung des Besitzers, eine belehrende Unterhaltung, wo ich einen Begriff der sämmtlichen Bergwerke der Nassauischen Lande mir eigen machen konnte. Herr Hauptmann und Bibliothekar [71] Hundeshagen hatte zugleich durch antiquarische, artistisch-literarische Mittheilung am Vergnügen und Nutzen, den ich aus meinem Aufenthalte zog, den größten Antheil.
Über Hochheim, Flörsheim und Weilbach, in Betrachtung mancher Naturgegenstände nach Frankfurt, wo ich mich ganz dem Wohlbehagen überließ, mit meinen theuern Landsleuten, nach so langer Zeit, wieder in Berührung zu kommen, welche mir alle Gelegenheit machten, die reichen Kunstschätze und die Schönheit der Umgebungen vollständig kennen zu lernen. Sollte ich übrigens alle Personen mit Namen nennen, denen ich Erfreuliches und Nützliches verdanke, so würde es ein großes Verzeichniß geben. Doch darf ich nicht verschweigen, daß die Brentanosche Familie, in allen ihren Zweigen, mir eine von den Eltern ererbte Freundschaft und Neigung bewiesen, daß Herr Schütz bey belehrender Vorzeigung der trefflichen alten, noch nicht aufgestellten Mahlereyen, keine Bemühung gespart, daß Herr Geheimerath von Willemer sein früheres Zutrauen auf jede Weise im hohen Grade abermals bethätiget, und daß meine ältern Schul- und akademischen Freunde, die noch übrig geblieben, mich mit warmer Liebe empfangen.
Vom 24. Septbr. bis zum 8. Oktbr. befand ich mich in Heidelberg, in Betrachtung der Boisseréeschen[72] Sammlung, wo man die Stufen der niederländischen Kunstschule, durch das byzantinische und gräcifirende Bemühen, bis zu Johann von Eyck, und dessen Schüler und Nachfolger, auf eine Weise kennen lernt, die in Verwunderung setzt. Die hohen Verdienste von Männern, deren Namen man kaum gekannt, sind uns hier vor Augen gestellt, und ein trüber Theil der Kunstgeschichte in das hellste Licht gesetzt. Das schönste Wetter erlaubte jene herrliche Gegend von allen Puncten und nach allen Seiten hin zu beschauen, und es geschah dieses in Gesellschaft von ältern Freunden und Bekannten, die sich noch gern der guten Zeiten von Jena erinnern mochten. So konnte ich auch in Mannheim, mit Freunden, vergangener Weimarischen Tage gedenken, und in gleicher Rücksicht erfreute ich mich in Darmstadt einer gnädigen Aufnahme der Großherzoglichen Familie. Hier hatte ich zugleich ein vortreffliches Orchester und ein reiches Museum zu bewundern, welches dem Herrn Kabinettsrath Schleiermacher seine blühende Ordnung verdankt.
Vom 13. an kehrte ich wieder in meinen behaglichen Frankfurter Zustand zurück, beschaute Nachts, den 18., nach vollbrachtem wohlgeordnetem Feste, vom Mühlberge, die durch tausend und aber tausend Feuer erleuchtete Gebirgsreihe und sonstige ferne und nahe Gegend. den 19. war die Stadt auf's prächtigste illuminirt, und ich glaubte mit dieser Feyerlichkeit schließen zu müssen, obgleich noch mehrere Feste[73] mich zu bleiben lockten. In Hanau konnte ich, in dem Kabinett des Herrn Geheimerath Leonhard, alle meine Kenntnisse des anorganischen Reiches recapituliren, um sie nicht wenig vermehren; und so kam ich denn endlich den 27. Oktbr. in Weimar glücklich wieder an, wo ich mein Haus und die Meinigen im besten Zustande fand.
G.