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An Christiane von Goethe

Da ich überzeugt war daß es dich freuen würde einen Brief von mir in Lauchstedt zu finden; so eilte ich dorthin zu schreiben und dancke dir nun für die[101] baldige Nachricht deiner Ankunft. Mir geht es noch immer recht wohl und ich wünsche nur auch daß du dich bald völlig wiederherstellst. Wenn ich dir rathen sollte; so machtest du bald möglichst eine Parthie nach Leipzig, besuchtest Herrn Docktor Kappe, brächtest viel Empfehlungen von mir und erzähltest ihm deinen Fall. Er giebt dir gewiß einen tüchtigen Rath und du hast alsdann den ganzen schönen Sommer vor dir um ihn zu befolgen, anstatt daß du dich doch jetzt auf eine wunderliche Weise herumschleppst. Schreibe mir doch gleich deine Gedanken darüber, oder vielmehr führe es aus und schreibe mir von Leipzig.

Ich habe bisher in kleiner aber guter Gesellschaft gelebt. Die Zigesarische Familie ist abgegangen. Wir haben viel gute Stunden gehabt. Fräulein Silvie ist gar lieb und gut, wie sie immer war, wir haben viel zusammen spaziert, und sind immer bey unsern Parthieen gut davon gekommen, ob es gleich alle Tage regnete. Das ist das eigne in einem solchen Gebirg daß in ganz kurzen Entfernungen Regen und gutes Wetter zu gleicher Zeit bestehen kann. Was wirst du aber sagen wenn ich dir erzähle daß Riemer ein recht hübsches Äugelchen gefunden hat, und noch dazu eins mit Kutsch und Pferden, das ihn mit spazieren nimmt. Was sich in diesem Capitel bey dir ereignen wird erfahre ich doch wohl auch.

Daß sie in Weimar gegen Frau v. Stael übels von dir gesprochen mußt du dich nicht anfechten lassen.[102] Das ist in der Welt nun einmal nicht anders, keiner gönnt dem andern seine Vorzüge, von welcher Art sie auch seyen, und da er sie ihm nicht nehmen kann; so verkleinert er, oder läugnet sie, oder sagt gar das Gegentheil. Genieße also was dir das Glück gegönnt hat und was du dir erworben hast und suche dir's zu erhalten. Wir wollen in unsrer Liebe verharren und uns immer knapper und besser einrichten, damit wir nach unserer Sinnesweise leben können ohne uns um andre zu bekümmern.

Von Thibaut habe ich einen Brief, auch von Voß beyde übereinstimmend unter sich und mit dem was wir von August wissen. Er macht seine Sachen ganz artig und selbst daß er nicht viel unter Leute mag, in einem kleinen Zirkel lebt, kann man nicht tadlen. Die Zeit die ihm von Studien übrig bleibt, mag er froh und gemüthlich zubringen.

Wenn das Theater im Ganzen gut geht bin ich wohl zufrieden; im Einzelnen wird es nie an Händeln fehlen. Wäre ich gegenwärtig gewesen; so würde ich mich sehr deutlich darüber erklärt haben inwiefern eine Schauspielerinn auch gegen ihren Mann von mir geschützt werden muß. Halte was dich betrifft nur das Singechor zusammen. Wer weis was daraus entstehen kann wenn wir es einige Jahre fortsetzen. Und manche Unterhaltung verschafft uns diese kleine Anstalt für den Winter. Grüße die sämmtlichen Glieder auch die Elsermann. Für Eberwein lege ich [103] ein Blättchen bey, er sendets an Herrn Hofkammerrath Kirms und bringt bey demselben auf eine anständige Weise sein Gesuch gleichfalls an. Das beste wäre er sendete das Blat seinem Vater daß dieser die Sache mündlich ausmacht, nämlich wann Eberwein weggehen kann und auf wie lange.

Mit einer Gelegenheit habe ich ein Packet in Wachstuch an dich bis Leipzig spedirt das du nun wohl erhalten hast. Es enthielt keine Kostbarkeiten; aber ein Paar geräucherte Zungen, von der besten Sorte.

Carlsbad fängt nun an sich zu füllen. Wie wunderlich es bisher aussah kannst du dir vorstellen wenn ich dir sage daß auf dem ersten Balle die Frauenzimmer mit einander tanzten. Auch ist bis jetzt Abends noch keine Gesellschaft in den Sälen. Die Schauspieler Truppe ist die vom vorigen Jahr.

Zum Schlusse muß ich noch melden daß auch Marianchen angekommen ist artig und gescheidt wie immer. Nun lebe recht wohl, gedencke mein und schreibe bald.

Carlsbad d. 2. Juli 1808.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1808. An Christiane von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7626-2