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An Ernst Wolfgang Behrisch

Leipzig d. 4. Dec. 1767.

Hören Sie nur Mosier Behrisch wenn Sie hinführo mich solange warten lassen, und mir hernach so ein miserables Briefgen schicken; so werde ich mich revangieren, und meine sonnabendliche Postreuter, besonders bey jetzigem Schneegestöbere spaarsamer ausschicken. Ich schreibe da eine Scene, |: wenigstens ein Stück davon :| mit vieler Mühe ab, und zu allem Dancke vergleicht sie der Herr mit dem Medon. Nun wahrhaftig du sollst weder das übrige von dieser Scene noch das ganze Stück zu sehen kriegen, wenns fertig ist. Hätte ich Kinder, und einer sagte mir: sie sehen diesem oder jenem ähnlich, ich setze sie aus wenn's wahr wäre, und wär es nicht wahr so sperrte ich sie ein; alle meine Scenen will ich verbrennen wenn sie [151] dem Medon ähnlich sehen. Hiermit wär's also alle und ich behalte meine Comödie für mich.

Ehe ich aus Leipzig gehe mache ich ein Legat, daß Medon alle Jahre auf meinen Geburtstag umsonst gespielt werden soll.

Hier schicke ich dir mein letztes Gedicht. Ich halte es für gut, und es soll in den zweyten Teil meiner Wercke kommen. Höre, ich will dir mit dem Claviere ein Reißzeug schicken, schreibe mir doch die Oden an dich und das kleine Hochzeitgedicht und dieses auf die Lagen ab, die du noch drüben hast. Hübsch, aber ohne Vignetten, nur mit bloßen Strichelgen. Der Kasten zum Claviere soll 1: 8 gr. kosten. Du sagtest mir ja einmal was von Fuhrleuten die du kenntest, schreibe mir, was du weißt.

Ich habe seit deiner Abreiße sonst gar nichts gemacht. Mein Schäferspiel liegt gar, ob es gleich ziemlich fertig ist, und mir an einigen Stellen selbst gefällt.

Was macht Auguste? Ich binn willens ihr den zweyten Teil zu dediciren, und ihn nach ihrem Nahmen zu nennen, ich liebe das Mädgen recht sehr.

Hr. Langer, der mich heute früh auf der Academieperemtorie invitirt hat ihn zu Anfang der andern Woche zu besuchen, lässt dir sagen: er werde dir den nächsten Posttag schreiben, weil es Zeit erfordre deinen Auftrag auszurichten.

Von Zerbster Bier weiß man auf dem Rahtskeller[152] gar nichts, so wenig als man darauf von gutem Biere weiß. Ubrigens kriegt man es jetzo in Leipzig höchstens nur par rencontre, und für diesesmal kann ich keinen ausfündig machen der es hätte

Schreibe mir doch etwas wie es in Dessau dir geht. Ich schreibe dir immer so viel von mir, und du schreibst mir gar nichts von dir. Ich glaube gar du bist in Dessau vornehm geworden. Es ist wahrscheinlich. Wenigstens lässest du mich gar keinem Anteil an deinem Schicksaal nehmen, und mich muhtmasen daß du eben so wenig, an meinem nimmst. Wenn ich alle deine Briefe an mich durchsehe; so finde ich wenig, oder nichts von deinem Zustande das du nicht eben so gut jedem Fremden hättest schreiben können. Freylich mag dein Briefwechsel mit Langern interessanter seyn. Er hütet sich zwar sehr mir was davon zusagen, aber Ein Wort, Zwey Worte und ich habe genug eine ganze Reihe zu rahten. Es ist gut wenn man zwey Freunde in einer Stadt hat, wo es manchmal was zu bestellen giebt, der eine besorgt die wichtigen Angelegenheiten und der andre das Zerbster Bier; und so hat jeder in seinem Departement seine Aufträge. Sie richten sich nun natürlicher Weise nach der Fähigkeit der Personen, Und nicht etwa pp.

Noch so einen ganzen Bogen würde ich voll schreiben wenn ich an mein Mädgen schriebe; aber gegen dich will ich barmherziger seyn. Daß ich böse binn, kannst du aus dem was ich geschrieben habe schon sehen; [153] warum ich böse binn wirst du auch sehen, und halb auch nicht, denn halb weiß ich es selbst nicht. Ich binn nun in einer übeln, sehr übeln Laune. Jeden andern Tag würde ich vielleicht anders geschrieben haben. Auch gut so. Was geschrieben ist ist geschrieben. Lebe wohl und liebe mich.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1767. An Ernst Wolfgang Behrisch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-763E-E