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An die Großherzogin Maria Paulowna

Durchlauchtigste Großherzogin,
gnädigste Fürstin und Frau.

Bey herannahendem, in jedem Sinne höchsterfreulichem Feste erlauben Ew. Kayserliche Hoheit einige Betrachtung über meine eigne Lage, wozu ich mich eben heute dringend aufgefordert fühle.

Wer ich hohen Jahren sich beobachtet und prüft, der findet freylich daß diejenige Munterkeit und Beweglichkeit, welche der Jugend gegönnt ist, womit sie [163] es wagt Plane zu entwerfen und ihre Ausführung zu verfolgen, daß diese sich nach und nach vermindere, wo nicht gar verliere, und man hat solches als ein allgemeines Menschen Schicksal bescheiden dahin zu nehmen; dagegen aber auch möglichst zu Rathe zu halten was noch übrig geblieben und dasselbe wo es nur nutzen kann treulichst anzuwenden.

Welchen lebhaften Dank habe ich daher Ew. Kayserlichen Hoheit abzustatten daß Höchstdieselben das Wenige was ich allenfalls noch zu leisten vermag nicht verschmähen; sondern mir sowohl meine Kräfte zu erproben, als einen rein gewiedmeten Willen darzuthun, gnädigste Veranlassung zu geben geruhen.

Enthalten kann ich mich aber nicht bey dieser Gelegenheit des schmerzlichen Ausdrucks: Höchstdero näheren Umgebung nicht angehören zu können, nicht jeder Zeit, als bereiter unermüdeter Diener Höchstdenenselben zur Seite zu bleiben.

Vorstehendes, welches meine aufrichtigsten Gesinnungen, zugleich mit den lebhaftesten Wünschen für Höchstderoselben und des durchlauchtigsten Hauses Wohl auszudrücken beabsichtigt, möge gnädigster Aufnahme, Verzeihung und Nachsicht in diesen wichtigen Augenblicken sich einigermaßen zu erfreuen haben.

Verehrend, lebenslänglich angeeignet,

Ew. Kayserlichen Hoheit

Weimar den 16. Februar

unterthänigster Diener

1829.

J. W. v. Goethe. [164]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1829. An die Großherzogin Maria Paulowna. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7651-F