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An Alexander von Humboldt

Seit einigen Tagen zaudre ich, an Sie, verehrter Freund, zu schreiben. Nun will ich aber nicht länger aufschieben, Ihnen für den ersten Band Ihrer Reise auf das beste zu danken. Zu dem großen Geschenk des innern Gehalts kommt noch die freundliche Gabe Ihrer Zuschrift, die nicht angenehmer und ehrenvoller seyn könnte. Ich weiß gewiß den Werth eines solchen[296] Andenkens zu schätzen und danke Ihnen recht herzlich, daß Sie zu dem großen Antheil, den ich an Ihnen, Ihren Werken und Thaten nehme, noch auf eine so zarte Weise meinem Individuum eine persönliche Theilnahme an den schätzen gönnen, mit denen sie uns erfreuen.

Ich habe den Band schon mehrmals mit großer Aufmerksamkeit durchgelesen, und sogleich, in Ermanglung des versprochenen großen Durchschnittes, selbst eine Landschaft phantasirt, wo nach einer an der Seite aufgetragenen Scala von 4000 Toisen die Höhen der europäischen und americanischen Berge gegen einander gestellt sind, so wie auch die Schneelinien und Vegetationshöhen bezeichnet sind. Ich sende eine Copie dieses halb im Scherz, halb im Ernst versuchen Entwurfs und bitte Sie, mit der Feder und mit Deckfarben nach Belieben hinein zu corrigiren, auch an der Seite etwa Bemerkungen zu machen und mir das Blatt bald möglichst zurückzusenden. Denn die durch den Krieg unterbrochnen Unterhaltungen am Mittwoch, bey welchen ich unsrer verehrten Herzogin, der Prinzeßin und einigen Damen bedeutende Gegenstände der Natur und Kunst vorzulegen pflege, haben wieder ihren Anfang genommen, und ich finde nichts interessantes und bequemeres, als Ihre Arbeiten dabey zum Grunde zu legen und das Allgemeinere, wie Sie es ja schon selbst thun, anzuknüpfen.

Können Sie mir freylich dazu einen Probedruck[297] Ihres Durchschnittes vielleicht senden, so würde mir auf einmal geholfen seyn. Ferner könnten Sie mir einen außerordentlichen Gefallen erzeigen, wenn Sie mir nur ganz kurz, nach den Jahren, eine kleine Skizze Ihres Lebens, Ihrer Bildung, Ihrer Schriften, Ihrer Thätigkeit und Ihrer Reise senden möchten. Einzeln ist mir manches, ja ich könne sagen, alles bekannt; aber ich kann es nur nicht chronologisch zusammenbringen und an Zeit fehlt es mir auch, um in den Büchern und Journalen nachzuforschen. Sollten Sie wieder einmal zu uns kommen, so finden Sie die Geister und Gemüther schon vorbereitet, dasjenige aus der Quelle selbst aufzunehmen, was ihnen bisher aus der Quelle selbst aufzunehmen, was ihnen bisher durch die zweyte Hand überliefert worden. Was Sie mir sonst gewiß auf das beste benutzt werden.

Mich beschäftigt noch immer das Farbenwesen und der Druck des Werkes geht sachte fort. Der didactische Theil ist zurückgelegt, freylich zum größten Theil mehr Skizze als Ausführung. Jetzt bin ich auf den dornenvollen polemischen Pfaden. Es ist ein unfreundliches und auch undankbares Geschäft, Schnitt vor Schritt, Wort vor Wort zu zeigen, daß die Welt sich seit Hundert Jahren geirrt hat. Indessen muß ich dahindurch und freue mich zum Voraus auf das breitere historische Feld, in welchem ich lebhaft vorwärts zu schreiten hoffe, wenn ich mich aus dem theoretischen stachelichten Labyrinth herausgewunden habe.

[298] In Ihren und Bonpland's Arbeiten finden sich mehrere Fälle, die sehr bedeutend sind und die ich mir notirt habe, um sie in der Revision meines Buches, womit ich das Ganze schließen will, nachzubringen, wenn ich nur erst schon die Freude hätte, das Werk in Ihren Händen zu wissen und auf Ihre Beurtheilung des Ganzen, so wie auf Ihre Bemerkungen zu den einzelnen Theilen bald hoffen zu können. Doch darüber geht wohl noch ein Jahr hin, welches denn freylich zuletzt auch vergangen seyn wird.

Von Ihrem Herrn Bruder habe ich lange nichts gehört, wohl auch durch meine Schuld, denn ich habe lange nicht geschrieben. Sagen Sie mir doch von ihm.

Unser trefflicher Hackert in Florenz hat vom Schlagflusse gelitten. Er hofft sich wieder für die Kunst zu erholen. Seines gleichen hätte ich wohl in Ihrer Gesellschaft den tropischen Ländern gewünscht.

Sagen Sie mir doch auch ein Wort, wie es Hirt geht, Zelten und Bury. Es ist mir jetzt fast lieb, daß ich mich in Berlin nach wenig Menschen zu erkundigen habe.

Durchlaucht der Herzog hat uns viel von Ihnen erzählt, von Ihrem magnetischen Garten und sonstigen Untersuchungen. Er ist recht eingeweiht in das, was Sie leisten und vorhaben.

Mit den herzlichsten Grüßen und Wünschen!

Weimar den 3. April 1807.

Goethe. [299]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1807. An Alexander von Humboldt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7658-1