5/1195.

An Johann Kaspar Lavater

[9? April.]

Zum Morgengrus erhalt ich deinen Brief vom 31. März.

Erst also von der Uhr.

Aus beyliegendem Briefe Knebels siehst du was er thut. Es war sein erster Gedancke sie dir zu schencken und überlässt dir gern damit zu machen was du willst. Wir haben nicht gelost denn wir brauchtens nicht. Du konntests thun als der Annehmende, der Geber soll nicht fragen. Ich habe neulich viel mit Knebeln drüber gesprochen, er sagte zulezt: Ich finde es iezt so recht und gut daß mir das Gegentheil unerträglich wäre.

Eben erhalt ich einen Brief von Reich den ich auch beylege. Wie kommts daß der Kasten über Leibzig ging das macht grose Unkosten. Es ist ein Umweeg, und muß beym Ein und Ausgehn Rechte abgeben. Schicke ia so etwas künftig an meine Mutter, die schaffts am sichersten hierher.

Wohl sagst du daß der Mensch Gott und Satan Himmel und Erde alles in Einem sey; denn was sind diese Begriffe anders als Conzepte die der Mensch von seiner eignen Natur hat.

In dem Buch des Erreurs et de la Verite das ich angefangen habe, welche Wahrheit! und welcher [108] Irrthum! Die tiefsten Geheimnisse der wahrsten Menschheit mit Strohseilen des Wahns und der Beschräncktheit zusammen gehängt.

In der Silhouette hätt ich so viel innerliches nicht gesucht, mehr sinnliches.

Die 5 Carolinen übermach ich dir.

Wenn ich vom alten König höre ist mirs als wenn mich der Prediger auf einen hohen Berg führte, und mich dort einen Trauerblick auf die Menschen und ihre Herrlichkeit thun hiese. Dem Kayser gönn ich allen Seegen. Gieb acht! gieb acht! Sein Kopf steht gut. Irr ich nicht sehr; so fehlts am Herzen, das zum grosen Menschen, zur That wie zum Kunstwerck unentbehrlich, und durch Vernunft nicht zu ersezzen ist.

Die Nächste Wochen des Frühlings sind mir sehr geseegnet ieden Morgen empfangt mich eine neue Blume und Knospe. Die stille reine, immer wiederkehrende, Leidenlose Vegetation, tröstet mich offt über der Menschen Noth, ihre moralischen noch mehr phisischen Übel.

Grüse Bäben, Frau und Kinder.

Hast du bey deiner Reise durch Colmar auf einen iungen Grafen Wartensleben geachtet, seine Mutter schrieb dir einmal über ihn. Sag mir etwas was du dich von ihm erinnerst.

Die Gemählde erwart ich also stündlich von Leipzig und freue mich sehr darauf.

[109]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1781. An Johann Kaspar Lavater. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7661-D