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An Ottilie von Goethe

Sonnabend den 25. trafen wir Hauptmann von Seebach in Franzensbrunn, welcher uns, wie mehrere andere, wegen des Unterkommens in Carlsbad angst machen wollte; wir fuhren aber getrost dahin, vor die drey Mohren, da wir denn gleich für die Nacht in einem stattlichen Quartier, das für Capo d'Istria bestellt war, den erfreulichsten Raum fanden. Des andern Morgens wurde mein altes Quartier im dritten Stock leer, das wir sogleich bezogen und uns bis jetzt gar wohl und vergnüglich darin befinden.

Der Neubrunnen sagt uns beyden zu, den Sprudel jedoch müssen wir vermeiden. Alle Mitgäste sind freundlich und behülflich, die Österreicher ganz besonders. Fürst Metternich hat den Abdruck des v. Hammerschen Briefs sehr gnädig aufgenommen, auch mir sogleich ausgezeichnete Gunst bewiesen.

[254] Madame Catalani ist angelangt, ingleichen Fürst Blücher, auch viele alte Freunde und Bekannte, deren jeder etwas Interessantes mit sich führt. Und so muß ich auch die besondere Aufmerksamkeit der Fürstin Reuß-Köstritz rühmen, die mich gleich den ersten Tag zum Thee auf den Hammer lud, und mich auf der Troschke hinaus fuhr.

Wer Lust hätte zu Festgelagen, könnte sie in diesen Tagen befriedigen: der Könige von Preußen und Sachsen Geburts- und Namenstäge werden gefeyert. Am Ende gehen diese Erfreulichkeiten doch wohl wieder auf einigen Verdruß hinaus.

Eine russische Dame, glaube Wranitzky, hat sich höchst theilnehmend nach unserer Erbgroßherzogin erkundigt. Frau Gräfin Henckel bringt ja wohl höchsten Orts deshalb ein freundliches Wort an.

Da der Tag sehr lang ist so habe ich an meinen mitgenommenen Arbeiten die beste Unterhaltung; nicht weniger sind die Steinkisten auf dem Boden schon ausgeleert, und ihr Inhalt wird sorgfältig geordnet. Ich bringe die hundert Stücke der Sammlung zusammen, treffliche Exemplare und desto interessanter als des guten alten Müllers Confusion durch seinen seligen Hintritt ganz unauflöslich geworden ist. Um in dem engen Hause Platz zu gewinnen, bleibt den Erben fast nichts übrig als den ganzen Plunder auf die Chaussee zu schaffen.

Bey allem diesem Guten muß man die Theurung [255] ertragen lernen. Sie haben die alten Zahlen der Preise beybehalten, und der Gulden steht beynahe 8 gute Groschen. Dagegen wird aber auch nichts gekauft, weil jeder sein Geld zur täglichen Ausgabe braucht, indessen folgt hier etwas Chokolade, Stecknadeln und dergleichen. Aufträge der Art, welche Stadelmann erhalten, kommen mit Deny etwa in vierzehn Tagen.

So viel für diesmal!

Carlsbad d. 1. Aug. 1818.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1818. An Ottilie von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-768B-2