14/4092.

An Friedrich Schiller

Nachdem ich diese Woche ziemlich in der Einsamkeit meines Gartens zugebracht habe ich mich wieder auf einen Tag in die Stadt begeben und zuerst das Schloß besucht wo es sehr lebhaft zugeht. Es sind 160 Arbeiter angestellt und ich wünschte daß Sie einmal die mannigfaltigen Handwerker in so einem kleinen Raume beysammen arbeiten sähen. Wenn man mit einiger Reflexion zusieht, so wird es sehr interessant die verschiendensten Kunstfertigkeiten, von der gröbsten bis zur feinsten, wirken zu sehen. Jeder thut nach Grundsätzen und aus Übung das seinige. Wäre nur immer die Vorschrift wornach gearbeitet wird, die beste, denn leider kann auf diesem Wege ein geschmackvolles Werk so gut als eine barbarische Grille zu Stande kommen.

An den Gedichten wird immer ein wenig weiter gearbeitet und abgeschrieben.

Durch das Steinische Spiegelteleskop habe ich einen Besuch im Monde gemacht. Die Klarheit mit welcher man die Theile sieht ist unglaublich; man muß ihn im wachsen und abnehmen beobachten, wodurch das Relief sehr deutlich wird. Sonst habe ich noch mancherley gelesen und getrieben Denn in einer so absoluten Einsamkeit wo man durch gar nichts zerstreut und auf sich selbst gestellt ist, fühlt [147] man erst recht und lernt begreifen wie lang ein Tag sey. Es ist keine Frage daß Sie unendlich gewinnen würden wenn Sie eine Zeit lang in der Nähe eines Theaters seyn könnten. In der Einsamkeit steckt man diese Zwecke immer zu weit hinaus. Wir wollen gerne das unsrige dazu beytragen um das Vorhaben zu erleichtern. Die größte Schwierigkeit ist wegen eines Quartiers. Da Thouret wahrscheinlich erst zu Ende des Septembers kommt, so wird man ihn wohl den Winter über fest halten. Das wegen Gespenstern berüchtigte Gräfl. Wertherische Haus, das für jemanden, der das Schauspiel fleißig besuchen will bequem genug liegt, ist so viel ich weiß zu vermiethen, es wäre wohl der Mühe werth das Gebäude zu entzaubern.

Lassen Sie uns der Sache weiter nachdenken. Leben Sie indessen recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau.

Weimar am 10. August 1799.

G.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1799. An Friedrich Schiller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-76A6-4