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An Johann Heinrich Meyer
Sie sollen, mein verehrter Freund, gelobt und gepriesen seyn, wegen des Entschlusses den Sie gefaßt haben, Ihr Vaterland zu besuchen. Wer es jetzt möglich machen kann, soll sich ja aus der Gegenwart retten, weil es unmöglich ist, in der Nähe von so manchen Ereignissen nur leidend zu leben, ohne zuletzt aus Sorge, Verwirrung und Verbitterung wahnsinnig zu werden. Mir ist es, seitdem ich Sie verlassen, ob mir gleich der Kriegsschauplatz immer zur Seite gewesen, ganz wohl ergangen. Die Wasser thun ihre gute Wirkung und man kann hier wenigstens immer äußere Ruhe genießen, die innere muß man sich dann selbst zu erhalten suchen. Ich habe, wie ich es [403] immer zu thun pflege, ganz zu Anfang meines hiesigen Aufenthalts rasch gearbeitet und hoffe den 3. Band zu Michaelis herauszugeben. John wurde mir krank, und ich mußte mich sehr zusammen nehmen, daß mir daraus keine völlige Störung erwuchs. Es ist auch noch so ziemlich gegangen, freilich wäre ich ohne diesen Vorfall jetzt schon völlig fertig und sehe ein paar freye Monate vor mir, die ich aber nur theilweise genießen kann. In Dresden habe ich außer den Mengsischen Gypsen und einigen bänden Kupferstiche wenig kunstreiches gasehen, doch aber auch auf der Gallerie, da die besten Stücke auf Königstein gesendet waren, unter den mindern, die man sonst anzusehen nicht Zeit hat, sehr schöne Sachen gefunden, besonders was den Gedanken betrifft, z.B. eine Bauern-Hochzeit, der Name des Künstlers ist mir entfallen, wo alle möglich Motive eines solchen Festes versammelt sind. Ich wünschte wohl die Münchner Schätze mit Ihnen betrachte zu können; indessen will ich mich gern an den einsichtigen Relationen begnügen durch die uns bey Ihrer glücklichen Wiederkunft entschädigen werden. Inwiefern die so nöthige verbesserte Einrichtung unserer Zeichenschule ausführbar sey, wollen wir alsdann auch bedenken. Es ist ganz eigen, daß die Menschen sich in Mißbräuchen so sehr gefallen, und daß man nicht leicht ein Mittel gelten läßt, wodurch das Übel von Grund aus gehoben würde. In der Gegend von Töplitz habe ich mich [404] viel umgesehen und mich gar oft in das Unorganische Reich geflüchtet. In Zinnwalde war ich zum erstenmal seit langer Zeit wieder unter der Erde, und habe mich daselbst an den glücklich entblößten uralten Naturwirkungen gar sehr ergötzt, auch schon einige Centner Steine und Mineralien zusammengebracht. Mehrere Männer die sich in dieser Gegend mit solchen Dingen beschäftigen, habe ich kennen gelernt. Nur ist das Wundersame in Böhmen, daß unter Personen, die sich mit einerley Wissenschaft abgeben, kein Zusammenhang, ja nicht einmal eine Bekanntschaft statt findet. Dieses Land, als wahrhaft mittelländisch, von Bergen umgeben in sich abgeschlossen, führt durchaus den Charakter der Unmittheilung, in sich selbst und nach außen; so wohl wegen der Censur als wegen des hohen Preises sind die Buchläden des nahen Sachsens für die wissenschaftlichen Bewohner weit abgelegen, und der gute Wille so wie ein redliches Streben sieht sich überall gehindert, sie bleiben hinter dem Ziel zurück, wie wir in dem protestantischen Deutschland darüber hinweg sind. Und nun leben Sie recht wohl und gedenken mein wenn der Zürcher See recht leibliche Wellen schlägt. Ich hoffe, Sie werden, indem ich dieses absende, schon die gute Wirkung der vaterländischen Luft erfahren haben.
Töplitz den 21. Jul. 1813.
G.
[405] Können Sie mir Breitingers Handschrift und anderer Matadors der Schweiz verschaffen: so verbinden Sie mich.