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An Georg Sartorius

[Concept.]

Wahrhaft erfreulich begrüßte mich das liebe Schreiben mit der gehaltreichen Beyfuge; auch mir ist es oft genug fühlbar, daß wir eigentlich nur in die älteren Verhältnisse eingewurzelt sind und vorzüglich daraus consequente Lebenslust und Auferbauung ziehen; ob ich gleich nicht undankbar seyn darf gegentreffliche Männer, welche mir in den letzten Jahren ihre Neigung zugewendet.

Der überschickte Band, den Sie mit soviel treuem Fleiß behandelt und fortgesetzt, erneuert schon mehrere Abende Ihr Andenken unter uns, indem mein Sohn, Hofrath Meyer und andere freunde sich daran die politischen Ereignisse des letzten Jahrhunderts vergegenwärtigen. Lassen Sie uns auf die Folge nicht zu lange warten und getrösten sich, daß die Anerkennung nicht säumen werde.

[172] In der nur zu großen Pause unseres Briefgespräches ist wohl manches von meinen Arbeiten und Bemühungen zu Ihnen gekommen, woran Sie Theil nahmen und verziehen, daß es nicht unmittelbar gesendet erschien. Indem uns die Jahre vieles wegnehmen, so steigern die Forderungen des Tages; wir sind genöthigt, uns in uns selbst zu concentriren, und werden so nach und nach der Wirkung in die Ferne verlustig. Dabey ist jedoch mein trost, von manchen Seiten zu hören daß, indem ich meiner Freunde bey allen Arbeiten im Stillen gedenke, sie sich oft herausfühlen was unmittelbar an sie gerichtet ist. Möge ich bey solcher Gelegenheit mich Ihrer Zustimmung gleichfalls erfreuen.

Und so will ich aber doch dießmal des Umstandes gedenken, der mich im Augenblicke beschäftigt. Sie erinnern sich wohl noch meiner Farbenlehre, von der Sie vor mehr als zwanzig Jahren, in Gesellschaft eins würdigen Freundes, dem ich mich bestens empfehle, in Scherz und Ernst einiges vernehmen wollten. Diese Chromatik scheint nunmehr nach so langer Zeit endlich zu gedeihen, wie Sie aus der Beylage geneigt zu ersehen belieben. v. Henning ist nun hier, und unter uns wird solche Verabredung getroffen, daß ich mich von dieser lange gehegten Arbeit endlich lossagen und das Weitere einem lebhaften jungen Geist überlassen kann.

Und so denk ich mich nach und nach auch der übrigen Gedanken. und Papierlast zu entledigen, da [173] ich das Glück habe, daß die neuste Generation mehr mit mir im Einklang steht als die mittlere.

So haben Sie z.B. einen Doctor Ernst Meyer bey sich in Göttingen, welchem ich seinen Theil meines Nachlasses durch eine Schenkung unter den Lebendigen zu übergeben nicht nöthig habe, da er auch ohne dieß auf dem Wege, den ich schon längst für den rechten halte, fortschreitet. Können Sie mir gelegentlich etwas Näheres von ihm vermelden, so werde es dankbarlichst anerkennen.

Grüßen Sie zum allerschönsten Gevatterin und Pathen; höchlich erfreut mich Nachricht von diesen vielgeliebten Wesen in neuer anmuthiger Umgebung. Meine Kinder sind gesund, die Enkel munter und erfreuen sich in dieser Jahreszeit noch des freyen Gartenlebens. Möge uns noch einiges Gute auf Erden friedlich gegönnt seyn, auch dürfen wir auf ein diesseitiges frohes Wiedersehen niemals völlig verzichten.

W. d. 26. Sept. 1822.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1822. An Georg Sartorius. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-76BA-7