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An Carl Friedrich Zelter

Statt eines sehr mannigfachen Dankes, sende ich Ihnen heute nur einen freundlichen Gruß durch einen Abreisenden, durch Herrn Lorzing, einen Bruder unsers Schauspielers. Ich bin Ihnen mit meinen Gedanken und Wünschen nach Königsberg gefolgt, die sich freylich nur immer auf Ihr eigenes Wohl beziehen konnten. Die Narren von Deutschen schreyen noch immer gegen den Egoismus, und wollte Gott, man hätte seit langer Zeit für sich und die seinigen [122] redlich, und dann für die Nächsten und immer wieder Nächsten redlich gesorgt; so sähe vielleicht alles anders aus. Jetzt wollen wir uns nicht irre machen lassen und im alten Wesen verharren.

Ich wenigstens treibe mein Wesen noch immer in Weimar und Jena. ein paar Örtchen die Gott immer noch erhalten hat, ob sie gleich die edlen Preußen auf mehr als eine Weise vorlängst gerne zerstört hätten. Haben Sie tausend Dank, daß Sie uns wieder zur Auferbauung einen hübschen Mann, soweit es gehen wollte, gebildet und als einen fördernden Mitbürger zurückgeschickt haben.

Ob ich gleich wenig vom Detail weiß, so sehe ich doch auch, nach meiner Art, in Ihr Ganzes hinein, d.h. Ihres Staats und seiner Aussichten und Hoffnungen; und da wünschte ich denn freylich einen so edlen theuren Freund, nach so manchen Prüfungen, wenigstens mit bessern Aussichten beglückt. Wäre mir Ihr Thätigkeits Kreis, wäre mir ganz deutlich was Sie thun und leisten; so könnte ich auch über Ihre Zustände beruhigter seyn: denn in der Ferne sieht man gewöhnlich nur was fehlt und abgeht; die Hoffnung wie die Furcht sind zwey leere Wesen.

Mit diesen wenigen Worten erhalten Sie meinen Roman. Thun Sie als wenn der größte Theil Ihnen zugeschrieben wäre, und verzeihen mir mein übriges Schweigen und Stocken. Es wird beynahe jetzt unmöglich mit dem Einzelnen von einzelnen Dinge zu[123] sprechen; faßt man aber breitere Verhältnisse ins Auge, so mag man wohl noch manches darstellend aussprechen.

Heute nicht mehr! Die Rübchen sind glücklich angekommen. Der Dank dafür soll bey jeder frischen Schüssel erneuert werden.

Weimar den 30. October 1809.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1809. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-76E1-B