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An Sulpiz Boisserée

– – und seltsamen fossilen Reste. Das unmittelbare Anschauen der Dinge ist mir alles, Worte sind mir weniger als je; ich bin deshalb auch für diese Sendung dankbarer, als man sich vorstellen kann. Empfehlen Sie mich diesem werthen Manne in solchen und ähnlichen Fällen.

Wundersam war es, daß ich gerade wieder wünschen mußte, diese Ankömmlinge meinem Sohne zu übergeben, der sich mit Leidenschaft auf dieses Fach geworfen und eine sehr bedeutende Sammlung in einem meiner Gartenhäuschen, deren Sie sich erinnern, auf's ordentlichste aufgestellt hatte. Es sind merkwürdige Dinge darunter, und also kommen die neuen Hippuriten in die beste Gesellschaft.

Ihre Unternehmung, das große Eyckische Bild zu lithographiren, darf mich nicht wundern, da an dem Schoreelischen das Unmögliche geschehen ist.

darf ich nicht zu melden unterlassen, daß auch das Glück meine andern Sammlungen begünstigt. Mein Sohn sendete aus der Lombardei an die hundert Medaillen, wichtige gegossene, aus dem 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts, sodann auch weitere, gegen das 17. hin. Mein schöner Besitz wurde dadurch auf einmal auf's herrlichste erwaeitert.

Er schrieb mir noch aus Florenz, wo er das selten vorgewiesene Medaillen-Kabinett zu sehen Genuß fand: [154] daß, abgerechnet die Medaillen des Mediceischen Hauses, in Betracht der übrigen, mehr oder weniger wichtigen, kleinen Fürsten und bedeutenden Privatpersonen unsre Sammlung sich daneben nicht zu schämen habe. Das ist nun freylich viel gesagt, doch mag es im gewissen Sinne gelten. Wenn ich den Bonanni, Mazzuchelli, die Famigle celebri durchsehe, so habe ich Ursache, mich des Vorhandenen anzuerkennen, daß man schon dankbar seyn muß, wenn man sich an einem weiten See, in einer fischreichen Bay angesiedelt hat. Sollten Sie mir von München her nicht etwas dergleichen verschaffen können? Einzeln erfreut und nützt es niemand.

Weil ich aber nun einmal in der Schnurre bin, Sie von den Schwimmwämmsern zu unterhalten, die mich in meinem Elemente emportragen, so will ich noch melden: daß ich von Zeichnungen ganz Unschützbares gewonnen habe, dergleichen man, so lange man lebt, nie wieder von seine Seite läßt.

Dergleichen gäbe denn noch manches zu erzählen, denn ich habe mich auch wieder in das botanische Feld eingelassen, wo mir mein alter Gewinn immer wieder zu Gute kommt.

Die letzte Seite bin ich nun veranlaßt, in Ernst und Scherz mit etwas Wunderlichem zu schließen.

Des religiosen Gefühls wird sich kein Mensch erwehren, dabey aber ist es ihm unmöglich, solches in sich allein zu verarbeiten, deswegen sucht er oder macht sich Proselyten.

[155] Das letztere ist meine Art nicht, das erstere aber hab ich treulich durchgeführt und, von Erschaffung der Welt an, keine Confession gefunden, zu der ich aber in meinen alten Tagen von einer Secte der Hypsistarier, welche, zwischen Heiden, Juden und Christen geklemmt, sich erklärten, das Beste, Vollkommenste, was zu ihrer Kenntniß käme, zu schätzen, zu bewundern, zu verehren und, insofern es also mit der Gottheit im nahen Verhältniß stehen müsse, anzubeten. Da ward mir auf einmal aus einem dunklen Zeitalter her ein frohes Licht, denn ich fühlte, daß ich Zeitlebens getrachtet hatte, mich zum Hypsistarier zu qualificiren; das ist aber keine kleine Bemühung: denn wie kommt man in der Beschränkung seiner Individualität wohl dahin, das Vortrefflichste gewahr zu werden?

In der Freundschaft wenigstens wollen wir uns nicht übertreffen lassen.

Weimar d. 22. März 1831.

J. W. v. Goethe.


Absenden darf ich Vorstehendes nicht, ohne zu vermelden, daß Herr v. Conta rückkehrend mir durchaus das Freundlichste mitgebracht. Ihro Majestät der König haben Sich nach mir erkundigt und Sich auf's allergnädigste geäußert. Es gibt ja wohl Gelegenheit, meine so schuldige als freudige Anerkennung höchsten Orts vernehmen zu lassen.

treu verpflichtet

Weimar den 22. März 1831.

J. W. v. Goethe. [156]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1831. An Sulpiz Boisserée. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-76EF-F