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An den Herzog Carl August

[31. Juli.]

Indem ich eben beschäftigt war von dem was mir bisher begegnet und zu Augen und Ohren gekommen einiges aufzuzeichnen und das bedeutendste zu überliefern, vernehme ich daß Ew. Durchl. In Töpliz sind, wohin Fr. v. Eibenberg abgeht, welche gegenwärtiges überreichen wird. Da die zarten Lippen und die spitze Zunge dieser Freundinn eine weit bessere Schilderung der Carlsbader Vorkommenheiten zu liefern im Stande sind als meine Feder; so beziehe ich mich auf dieselbe, überzeugt daß Ew. Durchl. Auf diesem Wege wundersames genug und fast unschreibbares vernehmen werden. Denn wie sehr der Durchlauchtige Nachbar die Menschen in Erstaunen gesetzt, läßt sich schwarz auf weiß wirklich nicht ausdrücken.

Von mir sey erlaubt zu sagen daß ich einen sehr schönen einsamen May, einen regnigten geselligen Juni, einen heißen Juli zum Theil hier zum Theil in Franzenbrunn zugebracht. Am letzten Orte war mir die Gegenwart Dr. Kappes abermals sehr heilsam, wobey ich abermals Gelegenheit fand Ew. Durchl. Im Stillen zu dancken daß Sie vor einem Jahre meinen Unglauben durch Nöthigung überwunden und mich diesem Manne gleichsam zugetrieben. Selbst daß ich ihn dieses Frühjahr nicht consultirt mache ich mir[121] Vorwürfe, ich würde über einige Unbequemlichkeiten, die mir doch manche Stunde verdorben, früher hinausgekommen seyn.

Übrigens habe ich dieses Jahr mehr in bekannten Cirkeln gelebt, ob es gleich auch an neuen Begegnenden nicht gefehlt hat. Mit der Zigesarischen Familie und Fr. v. Eibenberg setzten sich die früheren Verhältnisse recht angenehm fort. Die Fürstinn Schönburg mit ihrer Familie, Fürstinn Leiningen, Herzoginn von Würtenberg beyde Coburgischen Ursprungs, Graf Bose, Graf Lieven der mit Kayser Alexander in Weimar war, General Benkendorf seinen Schwiegervater Graf Grünne, habe ich mehr und weniger gesehen. Generalin von Berg und ihre Tochter, unsre ehemalige Hofdame nun Zigesar sind noch hier. Einige wunderbare Erscheinungen aus Ungarn, Galizien, Polen sind auch an mir vorbey gegangen.

Fleißig war ich auch auf mancherley Weise theils fortsetzend, theils beginnend. Die Gegend um Franzenbrunn habe ich fleißig durchsucht, besonders den problematisch vulkanischen Cammerberg. Nun ist Berg Rath Werner angekommen und da geht die Conversation und Halbcontrovers auf die alte Weise wieder fort. Dr. Kappe, den ich gestern fragte ob Töpliz mir nicht frommen könnte? hat es sehr entschieden verneint und mich noch auf vierzehn Tage nach Franzenbrunn gewiesen. Ich läugne nicht daß ich Ew. Durchl. Gern dieses Jahr in Töpliz aufgewartet hätte was sich [122] voriges Jahr nicht fügen wollte. Erhalten Sie mir indeß auch entfernt ein gnädiges huldvolles Andencken, das vor wie nach die Base meines Glücks ausmacht. Empfehlungen von so vielen bringt Frau v. Eibenberg.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1808. An den Herzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7702-A