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An Carl Ludwig von Knebel

Dr. Weller, der mich in Berka besucht, wird erzählt haben, wie wunderlich mein Leben dort geführt wurde und wie viel ich deiner gedacht. Nur durch eine strenge Richtung aller Gedanken auf einen Punct war es mir möglich die vielfachen Gedichte zu Stande zu bringen, die der Aufzug forderte, wie das Programm ausweist. Meine Kinder besorgten indeß die Kleidung, Meyer und Coudray die Requisiten; ersterer die Zeichnungen zu den Kleidern. Die schönen Sprecherinnen kamen nach Berka zum Vorunterricht, und so fand ich rückkehrend alles im Gange; Didaskalien dauerten fort und so waren wir im Stande, nach sechs Wochen ununterbrochener Arbeit, Freytags den 19. December, ohne mehr als eine Totalprobe am Morgen desselbigen Tages gehabt zu haben, bey Hofe, Abends, den Aufzug aufzuführen, dem einiger Beyfall zu gönnen war, da so großer Aufwand von Zeit, Kräften und Geld doch nur zuletzt, wie ein Feuerwerk, ein vor allemal in der Luft verpuffte. Indessen haben wir alte Ehre Weimars gerettet, ich [37] aber will's Gott! von solchen Eitelkeiten hiedurch für immer Abschied genommen.

Das größte Hinderniß dabey war, daß die Charaden zu gleicher Zeit im Werke waren und die zweyte Donnerstag Abends aufgeführt wurde. Diese Productionen sind auch sehr gut gerathen, so glänzend als möglich, und ein entschiedener Beyfall ward Coudray zum Lohne. Riemers erläuternde Gedichte werden gewiß auch deinen Beyfall erhalten.

Bis die meinigen gedruckt werden, hat es noch einige Zeit. Denn da sie sich gleichfalls auf Gegenstände beziehen, die vor Augen stehen sollten, so sehen sie auf dem Papiere gar zu gut fragmentarisch aus. Über die Art, wie die Lücken auszufüllen seyn möchten, bin ich mir noch nicht einig.

Ihro Majestät der Kaiserin hatte ich einigemal im besondern aufzuwarten das Glück und bin über die zwiefache Gesundheit des Leibes und der Seele dieser hohen Dame erstaunt. Der Einblick in die Ansichten von so hoher Stelle war eine Fortsetzung dessen, was mit in Carlsbad geworden, und dient mir gar vortheilhaft, daß ich manches Zeitereigniß mit mehr Klarheit und Beruhigung ansehen kann. Leider, daß weniges davon mittheilbar ist, nicht weil es im Einzelnen ein Geheimniß wäre, sondern weil den Zusammenhang des Ganzen darzustellen einem geschickten pragmatischen Geschichtsschreiber selbst Mühe machen müßte, besonders da ich ja auch an den Blick [38] von unten hinauf und in der Wasserwage gewöhnt bin. Von dem erhaltenen kostbaren Geschenk wird dein Sohn und Weller gemeldet haben.

Soviel für dießmal; alle andern Arbeiten bringen nach so langer Pause wieder zu, doch hoffe ich dich bey schönem klaren Winterwetter auf deiner Zinne zu besuchen.

Lebe schönstens wohl mit den lieben Deinigen!

Weimar den 26. December 1818.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1818. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7712-6