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An Ottilie von Goethe

Damit der Bote, welcher Briefe und Sendungen glücklich überbracht hat, zu rechter Zeit wieder nach Hause zurückkehren möge, sage über den heutigen Tag laconisch Folgendes:

Nachdem die durch Augusts überraschendes Ankommen einigermaßen gestörte Nachtruhe am schönsten Frühmorgen, wo ich die Vorläuferin der Sonne, Frau Venus genannt, in ihrem herrlichsten Glanze am Himmel stehen sah, einigermaßen wieder in's Gleiche gekommen war, erschien Inspector Götze an früher Morgenzeit mit Brottorte und Flaschen alten guten Weins. Ich arbeitete einiges; Schuchardt begegnete mir und ich erfreute mich zu hören daß auch bey ihm und seinen Geschäften alles auf guten Wegen geht. Dann folgte Weller mit Schwester und Knaben, der ganz eigentlich wie ein heiterer Gruß in's lange Leben aussieht. Ich dachte weiter zu arbeiten, da erschien Dr. Gries, Professor Schroter und Niemeyer, welche, nach freundlicher Unterhaltung, eine Einladung auf Mittag ablehnten, auch nicht einmal von dem vorhandenen Guten etwas genießen mochten. Denn Sckell und Baumann hatten indeß für herrliche Früchte ge sorgt, die Camarilla für Biscuitkuchen und Kränze, welche ich auch von Wellern zu rühmen habe. Frau Dr. Stichling hatte durch ihren Mann einen allerliebsten Kranz gesendet; sie selbst war durch ein kleines,[293] das Gesicht entstellendes Übel abgehalten. Ich dictirte noch einiges in Zwischenräumen. Zu Mittag speis'ten Dr. Stichling, Weller und Schuchardt mit mir. Professor Döbereiner kam bey'm zweyten Gericht, setzte sich ohne mitzuspeisen zu uns und das Gespräch ward vorzüglich interessant. Indessen ging der Regen, nach löblicher Gewohnheit, gewaltig nieder und leider waren noch einige Partien guter Jenenser inzwischen angekommen, die sich mit ihrem Caffee in die Grotte am Pentagon flüchten mußten. Ich hörte daß Madame Griesbach drunter sey, ließ sie durch Friedrich becomplimentiren und bedauern daß ich sie nicht aufsuchen könnte, denn der nebelhafte Regen dauerte fort. Und doch fand die gute Frau von ihrer Abfahrt noch einen trockenen Augenblick, mich im Schlößchen mit Demoiselle Göttling zu besuchen. Und so hat sich, von der ersten Kindheit bis zum höchsten Alter, das Menschenleben um mich her bewegt. Wäre der Tag schöner gewesen, so hätt es mich gereut, euch abbestellt zu haben. Nun aber kommt der Bote und bringt mir so vieles, daß ich es nicht übersehen kann; er will abgefertigt seyn und so danke nur im allgemeinsten, in Hoffnung, das Übrige nachzubringen. Grüße August, Ulriken und die Kindlein; besucht mich Sonntags, da sich denn manches wird mündlich verhandeln lassen.

Allem Guten befohlen.

Und so fort an!

Dornburg den 28. August 1828.

G.

Abends 7 Uhr.
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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1828. An Ottilie von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-772D-C