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An den Großherzog Carl August

Die Anstellung eines Hof-Bildhauers in Weimar ist eine für den Fürsten sowohl als für den Künstler so bedeutende Sache, daß ich keinem Anstand nehme, meine Gedanken darüber aufrichtig und umständlich darzulegen.

Der genannte Bildhauer Kaufmann wird ein Mann etwa in den vierzigen seyn. Er hat Frau [26] und Kinder. Soviel mir bekannt geworden ist er geschickt, auch zeugt dafür seine Anstellung in Canova's Werkstatt. Erhält er daselbst nicht gar 500 rh. unseres Geldes; so kann er dafür in Rom, bey schmaler italiänischer Einrichtung, mit Familie leben, wird ihm aber auch dasselbige in Weimar verwilligt so wird er dadurch keineswegs gefördert seyn.

Ich vermuthe der gute Mann hat vom Ableben des Hof-Bildhauer Weißer gehört und denkt sich, es sey eine Stelle erledigt, wie man sie an königlichen und fürstlichen Höfen zu finden gewöhnt ist. Sie setzt eine ausreichende Besoldung voraus, nächst dieser ein hinreichendes Local, Material, Werkzeuge, ja Gesellen und Gehülfen und besonders immer fortdauernde Bestellung und Arbeit.

Von allen diesen ist nichts bey uns zu finden.Klauer, zwischen Künstler und Handwerker viele Jahre rüstig und thätig, genoß einer Besoldung von 300 rh. Zu jener Zeit waren ansehnliche Wohn-Räume in Weimar zu finden. Neigung, ja Leidenschaft, die Gestalt geliebter und verehrter Personen in Gypsbüsten zu besitzen, war an der Tagesordnung, und selbst die lästigen Kragsteine, worauf dergleichen von den Wänden umherschauten, gaben dem Gießer einigen Gewinn. Wie weit Klauer die Verbreitung plastischer Arbeiten in Gyps und Thon getrieben bleibt noch unvergessen. Seine Söhne haben sich von diesen Gegenständen abgewendet und würden, auch[27] mit Willen und Vorsatz, die Fußtapfen des Vaters nicht wieder finden können.

Der Schloßbau brachte Tiecken nach Weimar, das Löbliche was er gethan steht vor aller Augen; aber kaum war der Bau vollbracht, so mußte er sich entfernen, weil keine Beschäftigung für ihn hier am Orte sich denken ließ. Mit bedeutenden Bestellungen begünstigt setzte er sich in die Carrarischen Marmorbrüche, in das Element des Bildhauers, wo ihm Natur, Handwerk und mittlere Kunst in die Hände arbeitet.

Tieck ließ den unglücklichen Weißer zurück. Dieser besaß ein sehr schönes Talent, aber einen in sich gekehrten und unerfreulich oft hervortretenden Wiedersprechungsgeist. So war er auch unsicher und willkürlich in dem was er that. Er veränderte an einer Büste Stellung, Haare, Kleidung ohne Ursache und Glück, im Thon, im Gyps, ja theilweise im Marmor. Er wußte sich daneben weder Gönner zu machen noch zu erhalten, hatte die unglücklichsten Zeiten mit zu ertragen. Mit einem geringen Gehalt, aus den ehemaligen Tieckischen Werkstätten vertrieben, nachdem er von Zeit zu Zeit beengt worden, zog er sich in's Engste zurück, (ich habe ihn eine Marmorbüste im Holzstall arbeiten sehen) und so versank er nach und nach in die tiefste Hypochondrie. Der Bart, den er sich zu seiner Unterhaltung wachsen ließ, entfernte ihn noch mehr von den Menschen und so ergriff [28] er den Entschluß sich zu entleiben gerade im Augenblick wo für alle, also auch für Künstler eine bessere Zeit hervortrat. Und hiemit war in Weimar der letzte Junke von dem was man Plastik nennen möchte, sowohl als selbstbildend als auch als nachbildend, durchaus erloschen.

Man sieht daraus, daß die Stelle keine Hof-Bildhauers hier niemals existirt hat. Klauer war ein begünstigter Privatmann, zu seiner Zeit und nach seiner Art glücklich, Weißer einsam, einzeln, unbegünstigt in einer von außen höchst unglücklichen Zeit von innen höchst unglücklichen Gemüths.

Die Stelle eines Hofbildhauers ist also ganz neu zu gründen, worüber ich mir das Weitere zu äußern vorbehalte und nur das Einzige hinzufüge, daß man einen solchen Mann wohl berufen, bezahlen und auch sonst die nöthigen Hülfsmittel verschaffen könne, aber daß es bey uns schwer, ja unmöglich sey ihn auf mehrere Jahre und in der Folge, (es giebt keine folgerechtere Kunst als die des Bildhauers,) zu beschäftigen.

Hierauf gründe ich mein unmaaßgebliches Gutachten, daß man dem wackern Mann gegenwärtig keine weitere Hoffnung mache, sondern daß man ihn bescheide: er möge sich's bis man ihm annehmliche Bedingungen machen könne in seiner gegenwärtigen Lage gefallen lassen.

Jena d. 26. May 1816.

G. [29]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1816. An den Großherzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7738-1