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An Johann Gottfried und Caroline Herder

Auf Euren Brief vom funfzehnten sollt Ihr gleich ein Wort haben das wohl nicht von großer Bedeutung seyn wird, denn das Beste das ich mitzutheilen habe ist zu lang und zu breit als daß man mit Quartblättern anfangen dürfte.

Nun verlangt mich auf Nachricht daß Iphigenie angekommen, auf ein Zeugniß wie sie aufgenommen worden. Ich habe zuviel wichtige Zeit und gute Kräffte drauf gewendet, als daß mirs gleichgültig seyn sollte was geworden ist und wie mans empfangen kann.

Durch Rom hab ich mich durchgesehn und es ist Zeit daß ich eine Pause mache. Die Mummereyen des Carnevals mögen noch vor meinen Fenstern vorüber gehn, dann nach Napel. Palmarum bin ich wieder da und richte meine Reise weiter ein, wie mir Eure Stimmen zurufen und wie der Geist treibt. Ich [162] könnte nach Ostern gleich nach Sicilien gehn, denn das Land ist im April und May noch bereisbar, obschon heis genug, und sehn müßt ich's denn doch.

Was Kunst betrifft hab ich nun Grund gelegt und kann nun drauf bauen wie es Zeit und Umstände erlauben, das Alterthum ist mir aufgeschloßen und die Geschichte lieb, darinn sollst du mir nun forthelfen und mir haben ein Paar Vereinigungs Punckte mehr. Laß uns zusammenhalten; es ist in der ganzen Welt ein lumpig kümmerlich Wesen.

Komm ich zurück; so lesen wir Winckelmanns Geschichte der Kunst zusammen, da giebts Gelegenheit von allem zu reden und ich will schon kommentiren daß du dich freuen sollst, wenn ich nur Beyspiele genug mitnehmen kann. Der Transport kostet soviel und wir müßen alles aus eignen Kräfften thun.

Die Kinder sollen mir schreiben was ich ihnen mitbringen soll. Wenn ich ihre Zeilen am Rande deines Briefs recht lese; so will August Palläste und Gottfried Abdrücke von Gemmen haben, beyde sollen befriedigt werden, ich bringe ihnen auch ein schön Studium antiker Marmorarten mit.

Wenn ich nun recht der Art meines Geistes nachgehn wollte; so müßte ich hier eine Zeitlang ruhen und dann die Augen wieder aufthun; am liebsten käme ich in einigen Jahren wieder hierher, denn nun muß erst manches verarbeitet und mancher Mittelbegriff rein werden.

[163] Du wirst auch mir einen großen Dienst erzeigen wenn du in den Ideen den Gesichtspunckt der Geschichte zurechte rückst. Denn wie mir es jetzt scheint hat uns das alte und neue Rom, alles schief gerückt.

Ich wollte dir, bey deiner Übersicht der Völcker den Einfluß wünschen den ein Vorsteher der Propagande hat. Monsigr. Borgia scheint sich ihn zu Nutze gemacht zu haben. Er besitzt eine schöne Münzsammlung und ein Antiquitäten Cabinet zu Velletri, das besonders an Egyptischen Sachen reich seyn soll.

Da ein Geistlicher der sich jetzt in Franckreich aufhält über die Marmor und Steinarten ein Werck auszuarbeiten dachte, ließ man ihm von der Insel Paros Stücke Marmor kommen, um gewiß zu werden was Parischer Marmor sey. Ich habe davon auch Vortheil gezogen und mir die Muster, welche übrig geblieben waren, angeschafft. Ich habe nun zwölf Stücke verschiednen weisen Marmors der zur Bildhauerey und Architecktur gebraucht wurde. Wie viel mir meine nun schnell wachsende Kenntniß des Materials der Künste, zu ihrer Beurtheilung hilft begreiffst du ohne viel Worte.

Lebet wohl meine Lieben und laßt die Kinder schreiben und schreibt mir auch oft, adressirt die Briefe nur hierher, oder gebt sie Seideln, ich laße mir sie nach Neapel nachschicken. Ich freue mich auf den Tag der mich zu euch zurückbringen wird, es scheint mir [164] als wenn uns das Fleckgen Thüringen festhalten werde. Gern will ich euch alsdann das ‹›r. Haus ‹› tragen helfen, dessen Ende ich vorerst zum Frühjahr herzlich wünsche. Lebt wohl, liebt mich.

Durch Kranzen schick ich den Kindern indeß einige Steingen und Scherben zum Spiel und Vorbereitung. Lebt wohl.

Rom d. 3. Febr. 87.

Ein Maytag!

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1787. An Johann Gottfried und Caroline Herder. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7749-E