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An Charlotte von Reutern

Theuerste gnädige Frau!

Das an meine gute Schwiegertochter erlassene vertrauliche Schreiben hat mich tief im Innersten geschmerzt. Indessen ich von Tag zu Tag hoffte, Ihren Herrn Gemahl bey mir zu sehen, so muß ich erfahren daß er in einer so bedenklichen, für seine Anverwandten und Freunde höchst bänglichen Lage sich befindet. Ein Mann, der wegen seiner Eigenschaften und Vorzüglichkeiten das beste Geschick verdient, der mir von jeher soviel Vertrauen geschenkt und für den meine Hochachtung immer wachsen mußte.

[4] Wir haben für ihn, so wie mehr oder weniger für uns alle, mit frommer Zuversicht zu bedenken: daß jenes allgemein Bedrohliche, welches über der ganzen Welt schwebt, den Einzelnen oft ganz wunderartig vorbeygeht und verschont. Das Portefeuille, wonach Sie wie billig, mit Antheil fragen, ist durch die Vermittelung des Herrn Obrist v. Radowitz zu Berlin in meinen Händen.

Ich habe das mir in einem beygefügten Schreiben des trefflichen Freundes gewidmete Natur- und Kunstblatt mit einer gewissen scheuen Dankbarkeit in meine Sammlung zu den besten gelegt und empfand um so mehr einige Verlegenheit, als es mir geraume Zeit nicht gelingen wollte, seinen wiederholten Wunsch zu erfüllen.

Ich hatte immer eine Art von Scheu, den zwischen den herrlich-reinlichen Arabesken gelassenen Raum durch Schrift zu verunstalten, besonders da ich der Absicht gemäß hielt selbst zu schreiben, und man denn doch niemals vor Unglück und Irrthum der Feder gewiß seyn kann. Endlich hab ich mir Herz genommen und es steht nun, wie es eben gelingen wollte.

Dieses Hauptblatt ist nun, wie es angekommen, sorgfältig eingepackt uns steht zu augenblicklicher Absendung bereit. Den Namen desjenigen, der von Cassel aus mir früher dergleichen Kunstschätze spedirte, wüßt ich nicht zu finden; wollte Sie mir ihn melden und dem guten Manne einen nähern Auftrag[5] geben, so könnte dieser Schatz, den ich ungern so lange verwahrte, bald wieder in Ihren Händen seyn. Meine gute Schwiegertochter dankt für das ihr erwiesene Vertrauen und hofft, durch das baldige Ausrichten des ihr gegebnen Auftrags Entschuldigung zu erlangen, daß sie nicht unmittelbar selbst Ihre freundliche Zuschrift dankbar erwidert, indem ich mich eher als sie beeilen kann, Sie, meine Gnädige, aus der bisher unangenehm empfundenen Ungewißheit zu ziehen.

Mit den treusten Wünschen für unser aller Bestes will ich mich hiemit angelegentlich empfohlen haben.

Meiner gnädigen Frau

anhänglicher

gehorsamster Diener

Weimar den 11. Juli. 1831.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1831. An Charlotte von Reutern. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-77A4-F