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An Friedrich Theodor von Müller

[16. August 1828.]

Ew. Hochwohlgeboren

Vorschlag, die goldene Verdienstmedaille an Herrn Moitte zu verehren und zwar baldmöglichst, kann ich unter gegebenen Umständen nicht anders als vollkommen billigen. Herr Geh. Hofrath Helbig wird dazu verhelfen können.

Artig wäre es, wenn man zugleich die kleine goldene Medaille Herrn Stapfer verehrte; Sie machen so manches möglich und also wohl auch dieses.

Dieser Sendung wäre jedoch die Notiz hinzuzufügen, daß ich von meiner Seite nächstens auch etwas Angenehmes zu überschicken und zu vermelden gedächte.

Hierauf wäre denn die Bestellung in Berlin nicht zu erneuern, weil sie uns in dem gegenwärtigen Falle [274] nur unbequem werden müßte und allenfalls, im Verfolge modificirt, erneuert werden könnte. Worüber mündlich.

Heute ist Dornburg fürchterlich und schon seit einigen Tagen. Ein wüthender Sturm saus't nun schon seit 24 Stunden an meiner Ecke her, so daß man nicht zur Besinnung kommt. Das festgegründete Haus ist noch ein Tropf, wenn man an die Unglücklichen denkt, die tag- und nächtelang gegenwärtig auf den Wellen geschaukelt werden.

Ich habe diese Unbilden des Sommers (wenn Sie sich erinnern) vorausgesagt und darf deswegen nicht einmal wünschen, daß unsere verehrte Fürstin-Mutter sich herbegebe, denn ein solcher Zustand würde sie und die Ihrigen zur Verzweiflung bringen.

Die guten jungen Männer Weyland und Stichling gelangten unter Sturm und Regen nur mit Mühe von einer Felsecke zur andern. Ich hätte sie mit den Frauenzimmern auf heute Abend eingeladen, die Communication wird sich aber bis dahin nicht wieder herstellen.

Mit Herrn Weyland habe mein Paris recapitulirt und gefunden, daß ich im Geiste dort ziemlich richtig gegenwärtig bin. Das sind wir denn doch unsern jungen Freunden und der lebhaften Communication durch die Lese-Anstalt der Frau v. Pogwisch schuldig.

Die vortreffliche Rede des Herrn v. Fritsch erfüllt auch eine von meinen Weissagungen: daß sobald Geschäftsmänner [275] öffentlich sprechen, wir auch Muster der Redekunst werden aufweisen können. Man muß etwas zu sagen haben, wenn man reden will. Ich bedaure immer unsere guten Canzelmänner, welche sich eine seit fast zweytausend Jahren durchgedroschene Garbe zum Gegenstand ihrer Thätigkeit wählen müssen.

Mit Sir Clare habe ich die Antillen in möglichster Geschwindigkeit recapitulirt und, indem ich zu einiger Zufriedenheit fand, daß ich auch dort ziemlich zu Hause bin, machte ich mir durch seine Mittheilung noch einiges Besondere zu eigen.

Freund Coudray soll mir jederzeit willkommen seyn; überhaupt bedarf es künftig keiner Anmeldung mehr, wer vor 12 Uhr kommt, findet eine hinreichende Mahlzeit, wer erst gegen 2 Uhr eintritt, nimmt vorlieb.

Um Einsiedels Andenken müssen Sie sich auch noch verdient machen. Es bleibt weiter nichts übrig als dieser Entschluß. Die Schwierigkeit liegt darin, den Lebensgang eines milden geselligen Mannes aufzufassen, dessen Gegenwart schon ein Räthsel war.

Sie denken, mein Theuerster, wie in solchen Sündfluthstagen das Dictiren überhand nimmt.

Deshalb fortan! Nach wie vor

in treuer Beharrlichkeit Goethe. [276]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1828. An Friedrich Theodor von Müller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-77C1-B