[65] 46/69.

An Sulpiz Boisserée

Unsre wackre gute, uns wahrhaft fehlende Freundin Adele, hatte mir schon gemeldet Sie seyen auf dem Apollinarisberg erwartet, und schon freute ich mich darauf Sie in dem ruhigen abgesonderten Zustand zu[65] begrüßen; nun kommen Sie mir zuvor, weshalb Ihnen zum schönsten soll gedankt seyn.

Zuvörderst aber habe meine Verpflichtung auszusprechen daß Sie über die Wanderjahre ein freundliches Wort sagen wollen. Dem einsichtigen Leser bleibt Ernst und Sorgfalt nicht verborgen, womit ich diesen zweyten Versuch, so disparate Elemente zu vereinigen, angefaßt und durchgeführt, und ich muß mich glücklich schätzen wenn Ihnen ein so bedenkliches Unternehmen einigermaßen gelungen erscheint. Es ist wohl keine Frage daß man das Werk noch reicher ausstatten, lakonisch behandelte Stellen ausführlicher hätte hervorheben können, allein man muß zu endigen wissen; ja dießmal hat mich der Setzer genöthigt abzuschließen, vielleicht zum Vortheil des Ganzen, was gar leicht, wenn man hie und da zu sehr verweilt hätte, lästig geworden wäre, anstatt daß jetzt, wenn ich Ihrem Zeugniß vertraue, Gefühl, Verstand und Einbildungskraft ungenirt ihre Rechte behaupten und abwechselnd, theils einzeln, theils in Gesellschaft sich frey ergehen mögen. An Stoff und Gehalt fehlt es nicht, und ich kann froh seyn daß Sie für die Form ein so rühmliches Gleichniß gefunden haben.

Etwas ähnliches, obgleich zerstückter und nur durch Ort und Tagesreihe verbunden, wird Ihnen im 29. Bande der nächsten Sendung vor die Augen treten; die innern und äußern Ereignisse meines zweyten Aufenthaltes in Rom werden hier aufgezählt und das[66] Ganze erhält vielleicht nur dadurch eine Einheit daß es aus einer Individualität, obgleich in sehr verschiedenen Jahren, lange gehegt, auch wohl Jahre lang beseitigt, endlich hervorgetreten.

treu verbunden

Weimar den 2. September 1829.

Goethe.


46/Nachschrift.

Ich schließe diesen Brief hiermit um zu vermelden daß in diesen Tagen ein Kästchen an Frl. Adele nach Unkel abgeht, worinnen das 2te Heft des VI. Bandes von Kunst und Alterthum für Sie beygepackt ist. Sagen Sie mir dagegen bald wieder ein gutes Wort indessen ich noch manches, was durch Ihren letzten Brief aufgeregt und angedeutet worden, zu erwidern habe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1829. An Sulpiz Boisserée. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-77C5-3