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An Wilhelm von Humboldt

[Concept.]

[26. Juni 1816.]

Mit dem Gefühl des Verlustes, in das mich das Abscheiden meiner guten kleinen Frau versetzt, weiß [69] ich nichts tröstlicher, als umherzuschauen, Sie viel Gutes und Liebes mir noch übrig bleibe.

Von Ihnen, theuerster Freund, hab ich in undenklicher Zeit nichts gehört und sehne mich wiederum nach einem lieben Worte von Ihrer Hand und der Versicherung Ihres Wohlbefindens. Leider muß ich Verzicht thun, Sie am schönen Mayn zu sehen. Die Ärzte und ein gewisser Trieb weisen mich nach Böhmen und noch könnt ich selbst nicht sagen, was ich ausführen werde. Lassen Sie mich bald was von Sich hören und senden mir wieder einmal etwas Bedeutendes von Handschriften. Mit alten hergebrachten Liebhabereyen schmeichelt man seinem Schmerz.

So bin ich auch Ihrem Herrn Bruder eine liebliche Tröstung schuldig geworden, da sein so bedeutendes und aufregendes Heft: Sur les lois p. gerade in den traurigsten Momenten zu mir kam und sein Recht an mir ausübte, und so ist es auch zeither der tägliche Text meiner Betrachtungen geworden. Lassen Sie ihm die dankbare beyliegende Charte zukommen.

Möge Sie und die Ihrigen altes Erfreuliche durch's Leben begleiten. Ich mußte mir in diesen Tagen eine wundersame Unterhaltung aufdringen, indem ich den alten Papierkram der Vergangenheit durchsichtete, wo so vieles Angefangene und Verlassene, so viele Vorsätze und Untreuen keine Entschuldigung zulassen,[70] sondern blos vergönnen im echten orientalischem Sinne an Gottes Barmherzigkeit Anspruch zu machen.

Leben Sie tausendmal wohl und lassen mich ja bald von Sich das Beste vernehmen.

Weimar d. 24. Juny 1816.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1816. An Wilhelm von Humboldt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-77F3-C