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An Joseph Franz Maximilian von Lobkowitz

Durchlaustiger Fürst,
Gnädiger Herr!

Ew. Durchl. schmeichelhaftes Zutrauen, welches mir Hochdieselben beweisen, verfehle nicht mit dem schuldigsten Danke zu erwidern, und ob ich gleich Ihre Wünsche dem ganzen Umfang noch zu erfüllen nicht im Stande bin, so halte ich es jedoch für Pflicht denselben möglichst entgegen zu kommen.

Der Text einer Oper gehört unter die Dichtungsarten, [110] welche sehr schwer zu beurtheilen sind, weil man sie nicht als selbstständiges Kunstwerk ansehen darf. Man hat sie in Bezug auf Musik, den Componisten, die Bühne, das Publicum zu betrachten, ja sogar auf kurz vorher gegebene und andere bekannte Opern Rücksicht nehmen.

Wäre ich daher in Wien, so würde die Sache zu Ihrer Zufriedenheit leicht abzuthun seyn. In der Entfernung jedoch getraue ich mir nicht ein entscheidendes Urtheil zu fällen, um so weniger, als ich eine Anzahl Personen nicht zu benennen wüßte, mit denen ich mich in einem solchen Falle mündlich in Übereinstimmung setzen konnte; schriftlich machen solche Dinge, wie ich aus Erfahrung weiß, eine Weitläufigkeit, welche schwer zu übertragen ist.

Wollten jedoch Ew. Durchl. mir die eingehenden Stücke gefällig zusenden, so würde ich sie, nach meiner Einsicht, gern recensiren und alsdann denen etwa zu bestellenden Richtern völlig überlassen, inwiefern sie auf mein unmaaßgebliches Gutachten reflectiren wollten. Ew. Durchl. Vorsitz bey diesem Gerichte in allem vertrauend, erwarte Dero weiteren Befehle.

Sehr leid that es mir, so oft ich diesen Sommer das herrliche Eisenberg vor dem Waldgebirge glänzen sah, daß es nicht durch Ew. Durchl. und Ihro Familie hohe Gegenwart verschönt, als ein erwünschter Sammelplatz fürtrefflicher Gesellschaft besucht und die Besitzer bey sich verehrt werden konnten.

[111] Durchl. der Herzog tragen mir die angelegentlichsten Empfehlungen auf, wie ich denn auch mich selbst zu gnädigem Andenken aber und abermals empfohlen wünsche.

Verehrungsvoll mich unterzeichnend

Ew. Durchl.

Weimar, den 7. October

unterthänigster Diener

1812.

J. W. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1812. An Joseph Franz Maximilian von Lobkowitz. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-780C-E