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An Christian Gottfried Daniel Neesvon Esenbeck
Weimar den 7. Januar 1819.
Ew. Wohlgeboren
freundliche Zuschrift mit dem beygefügten ehrenvollen Diplom haben zu seiner Zeit glücklich erhalten und uns allen von Herzen Glück gewünscht, daß der Naturwissenschaft, unter Ihrer besondern Leitung, so glückliche Aussichten eröffnet sind. Auch konnte ich mich enthalten, sogleich mancherley Gedanken, Grillen, Wünsche, Sorgen und Vorschläge mitzutheilen; daraus entstand ein briefartiger Aufsatz, der theils zu viel theils zu wenig enthielt, aber doch abgegangen wäre wenn man mich nicht über Ihren Aufenthalt irre gemacht hätte.
Nunmehr aber versichert man mir, daß Sie wirklich nach Bonn gezogen, welchen schönen Aufenthalt ich Ihnen von Herzen gönne, ob es mir gleich scheint, als wenn ich dadurch verlöre: den in Franken [48] Wohnenden glaubte ich noch immer zu unserm Kreise rechnen zu dürfen. Lassen Sie mich recht bald von Ihrer überrheinischen Thätigkeit erfahren, damit ich im Glauben gestärkt werde und mich dauerhaft überzeuge, daß sich das Verhältniß zu Ihren nördlichern Freunden nicht verändert hat.
Von meinen Beschäftigungen kann ich wenig sagen. In dem Laufe dieses halben Jahres wird Ihnen mancherley zu Gesicht kommen, das ich ihrer Aufmerksamkeit empfehle. Unmittelbare Naturbetrachtungen habe ich wenig gemacht. Die Lehre von den entoptischen Farben glaube ich gegenwärtig sowohl aus sich selbst zu verwandten Erscheinungen naturgemäß dargestellt zu haben.
Die wiederkehrende Sonne verspricht meinen Hausgarten bald wieder zu beleben. Möchten Sie mir gelegentlich ein wissenschaftliches Sortiment von Astersamen zuschicken, so würden Sie mich sehr erfreuen; wie ich gegenwärtig Ihre Gentianen unter Glas und Rahmen vor mir sehe, so würde ich diesen Sommer Ihrer schönen Bemühungen bei einem wohlgeordneten Beete Astern immer eingedenk seyn.
Durch einen sechswöchentlichen Aufenthalt in Carlsbad habe ich mir einen leidlichen Winter vorbereitet und denke denn auch ganz wohl und vergnügt dem Frühjahr wieder entgegen zu schreiten. – Möchte ich bald vernehmen wie Sie die überrheinische Pflanzenwelt [49] ordnen und meistern und dabei einer guten Gesundheit an dem großen, heitern Flusse genießen.
ergebenst
Goethe.