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An Ernst Wolfgang Behrisch

Leipzig d. 27 Novemb. 67.

So viel ich jetzo wegen der morgenden Aufführung der Minna zu tuhn habe, will ich doch ein Blätgen an dich ausarbeiten.

Im Frieden werden die Zeitungen kleiner, wie nach der Messe die Tohrzettel, und wie meine Briefe nach einer ruhigen Woche. Wir haben würcklich diese Woche in einem dummen Frieden gelebt. Hinfüro wirst du immer wünschen kurze Briefe zu empfangen.

Annette wird morgen Bey der Vorstellung seyn, binn ich darum gebessert? Die nächste Woche erwarte ich ein ewiges Genecke; denn die Obermann wird Hannchen und ich Micheln zum Nachspiele machen. Doch ich will nach deinen Nutzanweisungen bey der Sache verfahren. Um von was andern, aber doch nicht ganz unterschiedenen zu reden schicke ich dir eine Scene aus dem Tugendspiegel.


Erster Auftritt.
Melly. Dodo, am Fuße eines
Baums sitzend. Nacht.

M. Schweig von ihr!

D. Dir einen rechten Possen zu spielen, möcht' ich fast. Topp, laß es uns versuchen, und wenn [148] wir nicht gleich schlafen wenn wir von ihr schweigen, so will ich in meinem Leben kein Auge wieder zutuhn.

M. Eben als wenn in der Welt sonst nichts zu reden wäre.

D. Zu reden wohl, nur nicht für uns. Nelly ist seit einem Jahre deine Hauptleidenschafft und unser Hauptgespräch, alles andre was uns in Sinn kommen konnte, ware wie kleine Bächelgen die am Ende doch in den großen Fluß liefen.

Als Kaufleute redeten wir zwar oft von unserm Handel, das war wohl eins.

M. Und von unsern Waaren, zwey.

D. In meinem Lande gehören die Waaren zum Handel. Du schienst sie nicht dazu zu rechnen, man sahs aus deinem Verschencken aus deiner Wirthschaft.

M. Leider.

D. Aber Wahrheit behauptet ihr Recht. Es ist kein Handel ohne Waaren, dein Unglück –

M. Freund rede von deinem! Meins wäre mir erträglich hätte ich nicht deins hinzugehäuft. deine Edelmuht für mich gutzusagen –

D. Reut mich nicht,

M. Da sie dich doch ins Verderben riß, da sie dich mit mir zu fliehen Zwang, dich nötigte mein Elend zu teilen,

D. Und mich auf diese Art glücklich machte.

[149] M. Edler Freund.

D. Nicht so edel wie du denckst. Was brauchte es Uberwindung mich mit dir zu Verbannen, da ich entfernt von dir Mitten in meiner Vaterstadt verbannt gewesen wäre.

M. Du suchst mich zu entschuldigen, um mir verzeihen zu können. Du kannst's aber nie werde ich der vergeben, die Schuld an unserm Elende war.

D. Meynst du Nelly? Da ist sie wieder, sagt ich's nicht. und Nelly war an deinem Unglücke nicht Schuld. Diese Feste die du gabst, diese Bälle die du anstelltest –

M. Stellte ich sie nicht für Sie an, gab ich sie nicht für Sie. Ich erschöpfte mich weil ich sie liebte.

D. Sage närrisch liebte, und du wirst recht haben. Nelly liebte das Vergnügen und dich. Diese letzte Neigung steets zu unterhalten glaubest du es nohtwendig, der ersten beständige Nahrung zugeben. Darinne war's versehn, du rouinirtest dich ohne Nutzen. Wie oft habe ich sie beobachtet, wenn du von liebe Truncken, Sie nicht beobachten konntest. Sie hatte ein gutes Herz. Der Gedancke dich zu verderben, vergiftete ihr oft den Genuß des Aufwands den du machtest.

M. Warum litt sie ihn.

D. Anfangs aus Leichtsinn, Wollust und Stolz, Hernach aus Gefälligkeit, und zuletzt aus Gewohnheit. Weniger glänzende Vergnügen würden [150] länger gedauert, sie zufriedner und dich glücklicher gemacht haben.

M. Du irrst Lärmende Freude war ihr unentbehrlich.

D. Nachdem du sie unentbehrlich gemacht hattest. Ein Liebhaber sollte gegen seine Geliebte so spaarsam mit Geschencken seyn, als sie gegen ihn mit Gunstbezeugungen seyn soll. Man erweitert sich den Magen vom vielen Essen.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1767. An Ernst Wolfgang Behrisch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7854-C