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An Christiane Vulpius

Heilbronn den 28. Aug. 1797.

Zu meinem Geburtstage, den du gewiß in Ruhe und Zufriedenheit feyern wirst, aber nicht ohne Verlangen mich bey dir zu sehen, muß ich dir einige Worte sagen und dir zugleich, wie es mir bisher gegangen ist, erzählen.

Freytag den 25. nahm ich früh von der guten Mutter Abschied, nicht ohne Rührung, denn es war das erstemal nach so langer Zeit, daß wir uns wieder ein wenig an einander gewöhnt hatten. Der Tag [271] war neblig und bedeckt und sehr angenehm, ich hätte dir nur die schöne Bergstraße, in die ich kam eben als der Himmel sich aufheiterte, zeigen mögen, ich hoffe auch wir sehen sie noch einmal mit einander. In Heppenheim ward ich aufgehalten und kam deswegen spät in der Nacht nach Heidelberg.

Den 26. an einem außerordentlich klaren und schönen Tag blieb ich in Heidelberg und erfreute mich an der schönen Lage der Stadt, die am Neckar zwischen Felsen aber gerade an dem Puncte liegt, wo das Thal aufhört und die großen fruchtbaren Ebenen von der Pfalz angehen. Den 27. hatte ich eine schöne aber zum Theil warme Reise hierher. Heute habe ich mich hier umgesehen, habe die Stadt ein wenig durchstrichen und umgangen. Sie liegt gleichfalls am Neckar, hat aber die schöne fruchtbare Ebene vor sich und im Rücken sehr weit ausgebreitete Weinberge. Da ich ein artiges Zimmer habe, so werde ich mich wohl verleiten lassen, morgen noch da zu bleiben.


Stuttgard am 31. Aug.

Hier bin ich vorgestern Abend im Kühlen angelangt, nachdem ich die heiße Zeit des Tags in Ludwigsburg abgewartet hatte. Ich wünschte daß du die unendliche Fruchtbarkeit zwischen Heilbronn und hier, an Feldbau, Obst, Garten und Weinbau sehen könntest, man kann wohl sagen daß auf der ganzen Tour kein Fuß breit Landes ungenutzt ist.

[272] Hier gefällt es mir sehr wohl. Die Stadt liegt in einem Kreis von Bergen, die alle bebaut sind, mitten in Gärten und Weinbergen, das Obst ist sehr gut gerathen und ich habe mich gestern zum erstenmal seit langer Zeit wieder in fürtrefflichen Mirabellen satt gegessen, die ich doch dir und dem Kinde lieber gegönnt hätte. Ich habe einige alte Bekannte gefunden und auch neue gemacht die meistens Freunde von Schillern sind.


Stuttgard d. 4. September.

Ich habe in diesen Tagen viel Bekanntschaft gemacht und mich in der Stadt so wie in der Gegend umgesehen, und es ist mir recht wohl gegangen, ich habe fleißig aufgeschrieben wovon du künftig auch einmal lesen sollst. Übermorgen gedenke ich nach Tübingen abzugehen, wo ich von deinen Briefen zu finden hoffe und woher ich dir auch wieder schreiben werde, heute will ich nur dieses Blättchen abschicken, damit du nicht länger ohne Nachricht von mir bleibst. Lebe recht wohl und küsse den Kleinen.

Um den 15ten kannst du dencken daß ich bey Meyern bin. Lebe wohl und behalte mich recht lieb.

G. [273]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1797. An Christiane Vulpius. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-785E-7