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An Friedrich Heinrich Jacobi

Weimar d. 26. Dec. 1796.

Es sind diese Zeit her so viele Gaben nach einander von dir zu mir gelangt, daß es ein unerhörter Undank seyn würde, wenn ich länger schweigen wollte. Zuerst kam dein Brief, sodann die philosophische Abhandlung, sodann der wackre Max und zuletzt ein paar Kistchen geräuchertes, so daß also für Leib und Seele, Geist und Herz im Übermaße gesorgt ist.

Laß mich nun also über diese vier Puncte besonders einige Worte sagen.

Du meldest mir daß du den vierten Band meines[293] Romans mit Einem Ohre und nicht ganz zu deiner Zufriedenheit vernommen hast. Gebe der Himmel daß er eine bessere Aufnahme erfahre wenn du gelegentlich ihn vor beyden Ohren, oder vielleicht vor beyden Augen auftreten lässest, sollte es aber auch da nicht gehen, so wollen wir ihn bey Seite legen und etwas anders vornehmen.

Ich wünsche mir daß ich die Passion zu meinem neuen epischen Gedicht in das nächste Jahr, recht lebhaft, mit hinüber bringen möge. Die Art, wie Max solches genommen, hat mir wieder neuen Muth dazu gegeben.

Die unartige Recension deines Woldemars habe ich nicht lesen können. Wenn einer, an statt eine vernünftige Silhouette zu machen, das Licht so schief stellt daß eine Fratze sich an der Wand bilden muß, und vergleichen Darstellungen unter dem Motto Fiat justitia et pereat mundus im Publiko ausbietet, so kann man eben nichts weiter thun als es geschehen lassen. Du scheinst mir auch für einen zwanzigjährigen Autor noch nicht abgehärtet genug. Das ganze Schriftsteller und Recensentenwesen ist doch immer nur dem fabelhaften Geisterstreite gleich, wo die gebeinlosen Heroen sich zur Luft in der Mitte von einander hauen und alle sogleich wieder hergestellt sich mit Vater Odin wieder zu Tische setzen.

Baders Schrift habe ich mit Vergnügen durchgelesen, ob sie uns gleich aus Regionen etwas erzählt [294] in die ich mich niemals versteige. Könnte er jemals zu mir herunter auf den Grund und Boden kommen, auf dem ich zu Hause bin, so würde ich eher im Stande seyn, aus der Anwendung seiner Principien, die Principien selbst zu beurtheilen. Indessen habe ich den Versuch gemacht sie nach meiner Art und Weise zu brauchen und es scheint mir sehr viel schönes und passendes aus denselben entgegen.

Die Gegenwart von Max hat mir in diesen kurzen und trüben Tagen sehr viel Freude gemacht, er hat sich sehr gut ausgebildet und er scheint mir auf dem Wege zu seyn, den ich für den rechten halte. Er soll mir lieb und werth seyn so lange er bleiben will und ich hoffe sein Aufenthalt soll ihm nicht gereuen, wir haben so eine große Menge von literarischem Wesen und Treiben bey uns, besonders auch in dem Fache das ihn interessirt, er kennt Menschen und Sachen von früherer Zeit, es imponirt ihm also nichts und er kann eher sich aus der Masse das nützliche zueignen, und indem er sich nach einer so schönen Reise wieder in der thüringischen Beschränkung findet, so kann er desto eher mit sich selbst zu Rathe gehen und erfahren was sein eigen gehört.

Er hat sowohl hier als in Jena nur gute Verhältnisse zurück gelassen und also auch wieder Gefunden. Er tat bey allerley geistigen Übungen auch einen Versuch auf Schrittschuh gemacht, der nicht übel gelungen ist. – Und nun seh ich erst daß mir ein [295] ganz kleiner Raum übrigbleibt um dir für die fürtreffliche Sendung der Eßwaaren zu danken. Ich hoffe Max wird bey uns bleiben bis sie sämmtlich verzehrt sind. Lebe recht wohl.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1796. An Friedrich Heinrich Jacobi. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7861-E