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An Johann Gottlob von Quandt

Ew. Hochwohlgeboren

hätte schon vor einigen Tagen die glückliche Ankunft der durch's Loos uns zugewendeten Gemälde schuldigst vermelden sollen; die Kälte jedoch war dem Auspacken [230] hinderlich, die Feste hinderlich der Darstellung an unsere gnädigsten Damen.

Ein jeder Gewinn ist willkommen; dießmal besonders, da verdienstliche Bilder eingesendet wurden, und ich kann die freundlichste Aufnahme bezeugen, auch fernere Theilnahme an dem so wohl geführten Geschäft versichern.

Unsere durchlauchtigen Frau Großherzogin-Mutter, in den Tagen der Genesung, ein frommes anmuthiges Bild vorstellen zu können, war mir höchst erfreulich.

Ew. Hochwohlgeboren haben mir die Künstler genannt, welche diese schätzenswerthen Bilder verfertigen; da ich aber den Lebens- und Studiengang solcher jungen Männer gern erfahren mag, weil sich dadurch auch ihre Werke und mehr aufklären, so ersuche Dieselben, mich hierüber in nähere Kenntniß gefällig zu setzen.

Erlaubt sey mir nun auch, zu sagen: daß, bey dem wirklich Verdienstlichen dieser Bilder, mir die von Denenselben vorgeschlagene Verstellung nur noch wünschenswerther erschien; denn hätte man sich früher über diese Bilder, mit einsichtigen Kennern, berathen, so wäre Verschiedenes, einen vollkommen guten Eindruck Störende leicht zu vermeiden gewesen.

Der Künstler hat oft einen sehr guten Gedanken, dessen Ausführung er auch gewachsen ist, aber er hat ihn nicht in allen einzelnen Theilen durchdrungen, und da kommt ihm des einsichtigen Kenners Theilnahme [231] wohl glücklich zu Hilfe, wie ich an meinem eigenen dichterischen Beyspiele weiß und in einem langen Leben vielfach erfahren habe.

Hiebey aber entsteht eine große und bedeutende Frage: Ist der Kenner und Kunstfreund der Sache gewachsen? Und ist der Künstler zugleich selbstständig und mobil genug, um schnell und rein aufzufassen, ob man ihm das Rechte anräth, ihm bringt was ihm gefehlt hat, oder ob man ihn irre macht, indem er auf dem rechten Wege ist? Sehr oft scheint auf dem Rechten; oft aber auch ist er beschränkt, und kann sich in die Modificationen nicht finden, die ihm der Kenner vorschlägt.

Gerade die drey übersendeten Bilder würden zu solchen Betrachtungen Anlaß geben; leider sind Zeit und Kräfte auch mir zu beschränkt, als daß ich meinem guten Willen nachgeben sollte, mich hierüber schriftlich auszulassen. Denn wenn man die Angelegenheit genau in's Auge faßt, so sieht man: daß Kenner und Künstler sich gegen einander productiv verhalten müssen; sie müssen sich in Rath und That zu steigern, ja, zu überwinden suchen, bis sie zuletzt vollkommen einig geworden, und ein völlig congruirendes Bild entstanden ist. Daß aus der Ferne hierin wenig oder nichts zu thun sey, läßt sich vermuthen, ja sogar einsehen. Mir hat es eine vieljährige Erfahrung bestätigt.

[232] Nehmen Ew. Hochwohlgeboren indessen dieses Wenige als ein Zeugniß, daß mein Antheil an der Kunst, sowie an Ihrem schönen Verein nicht nachläßt, und meine Gedanken mit meinen Wünschen Sie immerfort begleiten. Möge auch Ihr körperliches Befinden Ihrer bedeutenden Thätigkeit zusagen, wie es, mit so vielen anderen, Ihnen Ergebenen und Dankbaren fortwährend zu vernehmen hofft der sich mit vorzüglicher Hochachtung unterzeichnet

Ew. Hochwohlgeboren

gehorsamster Diener

Weimar den 6. Februar 1830.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1830. An Johann Gottlob von Quandt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7862-C