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An die Hoftheater-Intendanz

Die Vorschüsse und Verbürgungen mit denen man bey jedem Theater den Schauspielern aushilft sind eigentlich retardirte Gehaltszulagen. Der Schauspieler macht einige Schulden, er wird gedrängt; im Laufe des Contracts will man ihm keine Zulage geben; man verbürgt ihm daher ein kleines Kapital, wohl voraussehend, daß bey einem nächsten Contract er sich eine Gagenerhöhung um die Schuld los zu werden bedingen wird. Eben so hat man auch oft den Contract mitten in seinem Lauf verlängert und dem Schauspieler gleich eine Gagenerhöhung zugestanden, dabey war das Princip, daß durch einen Abzug bis zu Ende des Contracts das verbürgte Kapital abgetragen seyn sollte.

[200] Die eigentlichen Schauspiel-Directoren, an deren Stelle die Intendanz tritt, haben von jeher solche Vorschüsse aus Politik gegeben, weil sie den Schauspieler eher dadurch in Händen haben und nur vorzügliche Schauspieler hoffen dürfen, von andern Directionen ausgelöst zu werden.

Dieß ist jedoch in der neuern Zeit besonders von den Königl. Preußischen und Württenbergischen Theatern mit großer Aufopferung geschehen; so wie denn die neue Leipziger Bühne Unzelmann auszulösen sich erboten hat. Fällt nun dessen Summe von denen bey hiesiger Theater-Casse garantirten Schulden weg, so bleiben, wie beyliegender Auswurf zeigt, kaum 2000 rh. übrig, wovon nur der geringste Theil gefährdet seyn könnte. Verlöre man auch etwas durch den frühzeitigen Tod eines Schuldners, so müßte man es zu den Unglücksfällen oder faux frais rechnen, dergleichen es in jedem Geschäft, besonders bey dem Theater, gar manche giebt. Eine lange Reihe von Jahren hat bey dieser Einrichtung wenig Schaden gebracht.

Demohngeachtet ist es mit unterthänigstem Dank zu erkennen, wenn J. K. H. auch hierin selbst eigne Einsicht zu nehmen geruhen, und es möchte der Sache ganz gemäß seyn, wenn es der Intendanz erlaubt wäre, bis auf 500 rh. und herabwärts, nach Verhältniß größerer und kleiner Wagen zu garantiren. Sollte mehr verlangt werden, so wird es Pflicht, deshalb unterthänigsten Vortrag zu thun, aber [201] auch bis zu genannter Summe darf es nur selten kommen.

Sind wir das böse Beyspiel Unzelmanns einmal los, so wird ohnehin mehr Maaß und Ziel in der Sache seyn, ja bedenkt man, daß manche dieser Schulden durch die Plünderung und Einquartierung verursacht worden, daß ferner die jetzt verbesserten und über ihre Zukunft beruhigten Schauspieler doch auch endlich gut wirthschaften sollten; so läßt sich ja auch hier das Bessere wohl voraussehen.

Weimar d. 20. October 1816.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1816. An die Hoftheater-Intendanz. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7892-F