6/1692.

An Carl Ludwig von Knebel

Die Ankunft des Erbprinzen, die größte Begebenheit die sich für uns zutragen konnte, hat eine zwar nicht sichtbare doch sehr fühlbare Würkung. Die Menschen sind nicht verändert, ieder einzelne ist wie er war, doch das Ganze hat eine andere Richtung und wenn ich sagen soll, er würkt in seiner Wiege wie der Ballast im Schiffe durch die Schweere und Ruhe. Die Herzogin ist gar wohl und glüklich, denn freylich konnte der Genuß, der ihr bisher fehlte, ihr durch nicht anders gegeben werden.

Die Musen aller Art haben sich, wie du wirst gesehen haben, auf alle Weise bemüht das Fest zu verherrlichen. Wieland und Herder haben zwey Singstüke[132] der eine für den Hof, der andere für die Kirche hervorgebracht; du wirst sie mit Vergnügen lesen. Wolfs Musik zu der Wielandischen hab' ich probiren hören, sie ist recht glüklich gerathen.

Ich hatte gehoft das Stük, deßen Anfang du kennst auch noch biß zum Ausgange der Herzogin fertig zu schreiben, es ist aber unmöglich. Der alte Plan war fehlerhaft und ich mußte es von vorne an neu umarbeiten. Ich fahre sachte dran fort und ich denke es wird ia nicht zu spät kommen.

Ich bin sehr neugierig ob ich das gewünschte aus der Kupferstich Auction erhalten werde, ich hoffe doch der Freund wird mehr als die Dürers erstanden haben.

Könntest du mir nicht eine gute Beschreibung von dem Altdorfer Marmorbruch und der umliegenden Gegend verschaffen, auch vielleicht einige merkwürdige Versteinerungen von denen die dort brechen. Gar zu gerne mögte ich eine Zeichnung des versteinerten Crokodilskopf, deßen du erwehnest, sehen; denn wahrscheinlich ist es der Kopf eines Physeters, dergleichen mehr versteinert vorkommen. Kennest du nicht etwa dort einen Liebhaber, der nach einer Anweisung die man ihm geben könnte, die Gegend untersuchte und dadurch zu Erweiterung dieser Wissenschaft auch etwas beitrüge.

Es soll in Nürnberg eine Art von Tontine und Leibrente errichtet worden seyn, sie sey zwar, sagt man schon voll, allein weil es damit so gut gegangen [133] ist so wolle man noch eine neue einrichten. Schike mir auf alle Fälle den Plan derselben.

Der Aufsatz im Tiefurther Journale deßen du erwehnest ist nicht von mir, und ich habe bißher ein Geheimniß draus gemacht von wem er sey. Ich kann nicht läugnen daß der Verfasser mit mir umgegangen und mit mir über diese Gegenstände oft gesprochen habe. Es hat mir selbst viel Vergnügen gemacht und hat eine gewiße Leichtigkeit und Weichheit, die ich ihm vielleicht nicht hätte geben können.

Sobald du die Kupfer erhälst, schicke sie mir gleich, ich hoffe daß mir der Reineke Fuchs nicht entgangen seyn wird.

Die Sache des Prinzen ist so eingeleitet daß ich hoffe er soll zurückkommen. Die Frau ist zu aller Menschen Verwunderung angekommen. Ich habe den angenehmen Auftrag gehabt sie zu bedeuten. Unter uns, man kann sich nicht kindischer, kleinlicher, alberner aufführen als der Prinz bey dieser Gelegenheit. Du wirst den Ausgang erfahren. Verzeih mir, ich habe weder Zeit noch Lust dir das Facktum zu erzählen.

Leb wohl und nimm mit diesem Blat vorlieb. Mit Wilhelm Meister hält mich der Abschreiber unsäglich auf.

Ich habe diese Zeit wieder einen Access vom Zeichenfieber gehabt, das aber durch die bittre Rinde des Lebensholzes bald wieder vertrieben worden ist.

Adieu. Schreibe mir bald. Grüse deine Schwester.

d. 3. März 1783.

G. [134]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1783. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-78BF-B