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An Sulpiz Boisserée

Und so will ich denn wieder einmal mich unmittelbar vernehmen lassen und schönstens danken für das, was bisher durch meinen Sohn und sonst an mich gelangt ist. Von Ihrer Theilnahme an meinem unerwarteten Geschick war ich überzeugt, und eben so gewiß wird es Ihnen seyn, daß ich bey dem ersten Erwachen in's neue Leben Ihrer vorzüglich gedacht habe.

Doppelt und dreyfach empfand ich den Werth trefflicher jüngerer Männer, denen ich so gern im Gedanken folge, weil sie in einem Sinne vorschreiten, den ich für den rechten halten muß, weil es der meinige ist; lassen Sie uns immerfort redlich nach [8] den verschiedensten Zwecken die doch am Ende nur als einer anzusehen sind, getrost hinwirken.

Wahrscheinlich haben Sie schon, wie sonst durch Aushängebogen erfahren, daß Kunst und Alterthum immer vorschreitet. Bald nach meiner Genesung gelangte ich wieder zu Betrachtungen unserer altdeutschen Baukunst, daraus entsprang ein kleiner Aufsatz, dem ich Ihre Billigung wünsche. Nach meiner Überzeugung muß man das Publicum, das gegen diese Gegenstände sich schon zu verkühlen anfängt, mit erneuter Erinnerung in Aufmerksamkeit erhalten. Im vorigen Stücke war eine allgemeine Anzeige des Inhalts Ihres Unternehmens; dießmal ist die Absicht, ein einleitendes kurzes Vorwort aufzustellen, und so werden wir immer theilweise vorwärts gehen; der Artikel kann in meinen Heften stehend werden, und nach und nach läßt sich alles aussprechen, was zu sagen ist.

Hiebey liegt ein Päckchen, dem in sonderbares Schicksal bereitet war. Sobald ich einigermaßen mich umsehen und einiges anordnen konnte, ließ ich den von Herrn Jäger verlangten Carlsbader Catalog vorläufig abgehen. Der Scharfblick Stuttgarter Postofficianten unterschied nicht das kleine e über dem a und ihre Sagacität stieß sich an den Titel, den sie im Staatskalender nicht finden mochten. Und so muß denn das Heftchen den Weg zweymal machen, den ich einmal zurückzulegen gar wohl zufrieden gewesen wäre. Denn ich vernehme so manches Gute und Schöne von [9] Ihrer Einrichtung, sowie von neuen Acquisitionen, daß ich von so viel Gutem auch einmal Zeuge seyn möchte. Leider aber zaudert man so lange in der Welt, ohne zu bemerken, daß die Beweglichkeit nach und nach sich verliert, bis wir uns in einem ganz engen Kreis eingeschlossen fühlen. Zum Glück, daß eine geistige Wirkung in die Ferne noch lange genug offen bleibt. Lassen Sie uns diesen Vortheil möglichst benutzen.

Denen Herren v. Cotta und Adrian vermelden Sie ja wohl meine besten Grüße; bleiben Sie allerseits versichert, daß mich Ihre Theilnahme herzlich rührt und erquickt, doppelt und dreyfach, da sie mich gleicher Wohlthat für's künftige Leben versichert. Doch hab ich allzu viel um mich her aufzuräumen und zu beseitigen, deshalb mich zu entschuldigen bitte, wenn meine Erwiderung nicht, wie sie sollte, sich lebhaft erweist.

treulichst

Weimar den 10. April 1823.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1823. An Sulpiz Boisserée. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-78F4-2