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An Carl Ludwig von Knebel
Ich habe dir so lange nicht geschrieben daß ich dadurch auf mehr als Eine Weise, theils in deine Schuld gekommen, theils darin geblieben bin; es soll meine erste Sorge seyn, damit nicht in das nächste Jahrhundert hinüber zu gehen. Eigentlich ist die Verspätung der Propyläen auch Schuld an meinem verspäteten Schreiben. Ich dachte sie von Zeit zu Zeit zu schicken und doch kann ich auch jetzt nur die ersten Bogen senden, die ich mir zurück erbitte, wenn du zunächst das ganze Stück erhältst.
Unsere diesjährige Ausstellung war sehr bedeutend. Wir haben 28 Stücke erhalten, worunter sich, sowohl[135] in Absicht der Meisterschaft als der Genialität, manches Unerwartete befand. Du wirst die Recension derselben in den Propyläen gewiß mit Vergnügen lesen, für uns war es auf acht Wochen eine sehr angenehme Unterhaltung und treffliche Übung des Kunsturtheils. Ganz besonders wirkend war auch diese kleine Gallerie, wenn man bedachte, daß sie von lauter gleichzeitigen Menschen, in dem Augenblick und für den Augenblick gearbeitet war. Man wurde dadurch sowohl von dem gegenwärtigen Zustand der Kunst in manchen Gegenden Deutschlands unterrichtet, als auch durch Hoffnungen und Erwartungen vergnügt, die man für die Zukunft fassen konnte.
Die Naturlehre hat uns auch, sowohl durch neue Entdeckungen als durch die immer mehr sich erweiternde Theorie, großen Genuß gegeben. Du hast ja schon wohl von der Galvanischen Batterie, welche Bolta veranlaßt, vernommen.
So sehr ich dir zu deinem ruhigen Aufenthalt in Ilmenau Glück wünsche, so kann ich mich doch auch manchmal des Wunsches nicht enthalten: daß du uns von Zeit zu Zeit besuchen und an demjenigen Guten Theil nehmen mögest, das ein Zusammentreffen von bedeutenden Menschen gewähren kann.
In poeticis ist auch einiges gethan worden. An Faust habe ich verschiedentlich gearbeitet und es scheint immer möglicher daß ich ihn noch werde vollenden können, so wunderbar und schwer die Aufgabe ist.
[136] Hast du von Tiecks Journal und romantischen Dichtungen noch nichts gesehen, so kann ich dir einige Bände davon schicken. Erregt sonst etwas Neues deine Aufmerksamkeit, so schreibe mir, ich finde vielleicht Gelegenheit es dir zum Durchlesen zu verschaffen.
So könnte ich dir die Übersetzung von Hermann und Dorothea durch Bitaubé schicken. Die Übersetzung selbst sowohl als seine Äußerungen in der Vorrede, und einige Bemerkungen eines Recensenten, in der Decade Philosophique, sind deshalb merkwürdig, weil die französische Nation hier in einem bedeutenden Gegensatz gegen die deutsche erscheint. Es zeigt sich, daß wir durch Schätzung, des Mittelstandes ächt republikanische Gesinnung verrathen, an Statt daß die Republikaner davon gar nichts wissen wollen, sondern sich noch immer, nach dem Zeugniß ihrer eignen Landsleute, als eingefleischte Aristokraten beweisen.
Den siebenten Band meiner Schriften lege ich bey und wünsche daß du dem Alten wie dem Neuen darin geneigt seyn mögest.
Das Teleskop hat mir und Freunden schon manchen vergnügten Abend gemacht. Es erregt die würdigsten Gefühle, wenn man einen so weit entfernten Gegenstand sich so nahe gerückt sieht, wenn es uns möglich wird den Zustand eines 50.000 Meilen von uns entfernten Körpers mit so viel Klarheit einzusehen. Schröters [137] Selenotopographische Fragmente sind freylich dabey ein sehr schätzbares und unentbehrliches Hülfsmittel.
Die rückständige Schuld soll nächstens abgetragen werden.
Auf einem beyliegenden Blättchen findest du die Titel der Bücher, welche Hofr. Büttner sich von dir zurückerbittet. Habe die Güte, was du davon finden kannst mir gelegentlich zu schicken. Ich werde deshalb von ihm, so oft ich nach Jena komme, gequält.
Von Herrn von Fritsch erfahre ich so eben daß du einen bösen Fall gethan hast, welches mir herzlich leid thut. Ich wünsche zu hören daß es ohne weitere Folgen gewesen ist.
Und somit, nebst Befreyung von allem Übel, wünsche ich wohl zu leben und bitte meiner freundlich zu gedenken.
Weimar am 3. Nov. 1800.
G.