[225] 24/6801.

An Johann Salomo Christoph Schweigger

Ew. Wohlgeboren

geben mir durch Ihren freundlichen Brief die erwünschte Gelegenheit, auch einmal unmittelbar, für[225] die fortgesetzte Sendung Ihrer unterrichtenden Zeitschrift meinen besten Dank abzustatten, worum ich Herrn Dr. Seebeck schon einigemal gebeten. Dieses interessante Werk ist, vom Anfange an, complett in meinen Händen, nur fehlt mir das zwölfte Stück des vorigen Jahres, welches, wegen des darinnen wahrscheinlich befindlichen Registers, um so wünschenswerther ist. Durch diese Register haben Sie Sich besonders um die Liebhaber verdient gamacht, die nicht immer im Falle sind, der Wissenschaft Schritt vor Schritt zu folgen, noch weniger, die in so manchen Aufsätzen enthaltenen Wahrheiten zu sammeln und zu ordnen. Ich habe diese Register, besonders auf Reisen, zu leichter Recapitulation der neuesten Bemerkungen und Entdeckungen, jederzeit mit mir geführt.

Auch das neueste Stück war für mich von großem Interesse: denn ob ich gleich eigentlich auf diese Welt angewiesen bin, und meine Blicke nicht gern über meinen Gesichtskreis erhebe; so ist es mir doch höchst erwünscht, einem Swedenborgischen Geiste gleich, durch die Augen solcher Männer das Universum zu beschauen, die berufen sind, die erscheinende Welt bis in's Unendliche zu verfolgen.

Daß der Mensch aller geistigen Organe bedürfe, wenn er sich an das Ungeheuere wagt, gestehen wir gern. Der Philosoph, der Mathematiker, der Chemiker, der Physiker, dürfen da wohl gemeinschaftlich handeln, und eine solche Vielseitigkeit macht das Verdienst [226] Ihres Aufsatzes, der um desto erfreulicher ist, da er sich als Resultat der Bemühungen eines freundschaftlichen Cirkels ankündiget.

Sehr löblich däucht es mir dabey, daß dasjenige, was wir Schwer- und Schwungkraft nennen, als zwey sich von Ewigkeit zu Ewigkeit fordernde Erscheinungen betrachtet, und so zur Erklärung der Phänomene benutzt werde.

Seit unser vortrefflicher Kant mit dürren Worten sagt: es lasse sich keine Materie ohne Anziehen und Abstoßen denken, (das heißt doch wohl, nicht ohne Polarität,) bin ich sehr beruhigt, unter dieser Autorität meine Weltanschauung fortsetzen zu können, nach meinen frühesten Überzeugungen, an denen ich niemals irre geworden bin.

Ferner nehme ich um desto lieber theil an Ihren Forschungen, als der große Umfang von Erfahrungen, hier zusammengestellt, uns ein ewiges Leben fühlen läßt und verheißt.

Verzeihen Sie, wenn ich ausspreche was sich von selbst versteht, aber dadurch kommt man eben weiter, wenn man mit mehrern ausdrücklich zum Grunde legt, was sich von sebst versteht. Leider sind die Menschen also gebildet, daß sie auch darinnen niemals mit einander Übereinkommen, sondern wechselseitig an den Fundamenten mäkeln.

Sehr gerne würde ich zu Ihrem wichtigen Journal etwas beytragen, ja ich rechnete mir es zur Ehre irgend [227] etwas von mir darinnen aufgenommen zu sehen; aber was ich mitzutheilen habe, scheint mir bald zu eng, bald zu weit, und nimmt sich außer dem Zusammenhange, in welchem es sich bey mir entwickelt, meist gar wunderlich aus, doch hoffe ich durch die Herren Seebeck und Söbereiner mich näher an Sie anschließen zu können.

Mit den besten Wünschen und aufrichtiger Hochachtung!

Weimar den 25. April 1814.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1814. An Johann Salomo Christoph Schweigger. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7943-A