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An Dietrich Ludwig Gustav Karsten

[Concept.]
Wohlgeborner,
Insonders hochgeehrtester Herr,

Ew. Wohlgeboren haben mir durch baldige Mittheilung Ihrer aufs neue ausgearbeiteten Tabellen ein großes Vergnügen gemacht. Schon der ersten Ausgabe bin ich sehr viel Belehrung schuldig geworden; die gegenwärtige soll bey diesen Studien mein Leitfaden werden und dieses interessante Werk weder zu Hause, noch auf Reisen, jemals von meiner Seite kommen.

[218] Daß Ew. Wohlgeboren demjenigen was ich in einer Region, in die ich nur manchmal zum Besuch komme, zu äußern gewagt, einige Aufmerksamkeit gönnen, dient mir zur großen Ermunterung. Ich mußte freylich in meiner Lage gar wunderbare Wege nehmen, um in die Naturwissenschaften nur einigermaßen hinein zu gelangen.

Über den Cammerberg bey Eger lege ich einen Aufsatz bey. Wenigstens wünsche ich das Problematische dieses Falles recht ins Licht gestellt zu haben. Ich habe erst später den Vornischen Aufsatz gelesen, mit dem meine Überzeugung in der Hauptsache meist übereintrifft; nur daß er die weitentfernten Liebensteiner Basalte, nach einem damals allzu weitgreifenden Vulcanismus, auch heranzieht, die doch mit dem Cammenberg nicht in der mindesten Verbindung stehen.

Übrigens freue ich mich voraus dadurch Ew. W. Beyfall zu erhalten, daß ich bey der Beobachtung mich hauptsächlich an die verschiedenen Stufen des veränderten Glimmerschiefers gehalten haben, da mir bekannt ist und ich auch gegenwärtig wieder pag. IX. Ihrer Vorrede gesehen habe, daß Sie bey vulcanischen Producten das vorhergehende selbständige nun aber veränderte Fossil der Betrachtung vorzüglich empfehlen.

Die eingeschriebene Stelle aus dem Seneca war mir deswegen merkwürdig weil sie eine wirkliche [219] Naturerscheinung genau so dargestellt, wie ich sie mir hypothetisch bey Betrachtung des Cammerbergs denken mußte, nur daß in Griechenland die Naturwirkung viel stärker und gewaltsamer war.

Von den Cammerberger Producten stehen Exemplare zu Diensten. Sobald ich nach Jena komme, wo einiger Vorrath davon liegt, werde ich sogleich eine Auswahl treffen.

Die kleine Abhandlung wird in dem Leonhardischen Taschenbuch erscheinen, wo ich noch einige andre Bemerkungen mitzutheilen gedenke. Darf ich künftighin solche Aufsätze vor dem Druck Ew. Wohlgeboren erbitten, so würde ich dadurch sehr gefördert werden: denn ich kann auf solche Arbeiten nicht immer die gehörige Aufmerksamkeit wenden, und doch möchte ich sie nicht gerne länger zurückhalten, da ich dadurch mit Naturforschern von Range in Bekanntschaft und ein gewisses Verhältniß komme, wie es mir denn mit Ew. W. zu meinem größten Vergnügen geworden ist.

Der ich die Ehre habe mich mit vorzüglicher Hochachtung zu unterzeichnen.

Weimar den 20. November. 1808.

[220]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1808. An Dietrich Ludwig Gustav Karsten. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7961-6