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An Ferdinand von Lamezan

P. P.

Aus beyliegendem kleinen Aufsatze, für dessen Form und Styl ich Nachsicht erbitten muß, belieben Ew. Hochwohlgeb. zu ersehen, was ich zu Einleitung und Vorbereitung des bewußten Geschäftes am räthlichsten finde. Erhält es den Beyfall der verehrlichen Societät, so soll sogleich die Expedition nach Rom, so wie das Privatcircular an eine Anzahl Künstler abgehen und es bleibt uns in der Zwischenzeit noch immer [52] Raum genug die Sache nach allen Seiten hin zu überlegen, wie ich denn das Gutachten einsichtsvoller Freunde, die ich darum gebeten, noch zu erwarten habe. Haben Sie die Güte jedes Bedenken welches Ihnen beyginge, zu eröffnen und was Sie der Sache vortheilhaft glauben, mitzutheilen.

Im Fortschreiten des Geschäftes wird noch verschiedenes zur Sprache kommen, durch dessen frühzeitige Erwähnung die Ansicht eher beschränkt als erweitert würde. Es kommt noch vorzüglich darauf an, ob der vorgeschlagene Operationsplan im Ganzen Beyfall findet, für das Detail der Ausführung kann man ohnehin nur zu rechter Zeit und Stunde sorgen; auch treten manche hülfreiche Zufälligkeiten ein, die man alsdann zu nutzen oder abzulenken hat.

Doch was brauche ich Ew. Hochwohlgeb., als einem Geschäftsmanne, dasjenige bey diesem besondern Falle zu sagen was im allgemeinen bey jedem menschlichen Unternehmen gilt; deshalb man sich denn eben das höchste erreichbare Ziel vorstecken muß, weil man in der Ausführung oft selbst hinter diesem, leider, zurückbleibt.

Darf ich hiernächst noch eine mit diesem Geschäft verwandte Bitte Ew. Hochwohlgeb. vortragen.

Vor ungefähr 18 Jahren ward in Rom, von einem geschickten Stempelschneider Schwendimann, eine Medaille auf den Churfürsten von Pfalz-Bayern geschnitten, [53] die ich, bey der gegenwärtigen Gelegenheit, wohl zu sehen wünschte, um sie mit der Arbeit von Mercandetti zusammen zu halten. Wäre es daher möglich, daß Ew. Hochwohlgeb. mir diese Medaille zu eigen verschaffen könnte, so würde mir ein gutes Exemplar in Silber, vorzüglich aber in Kupfer aber sehr angenehm seyn, weil der Stamm meiner modernen Medaillensammlung aus Kupfer und Bronce besteht. Allenfalls aber würde das Original nur auf kurze Zeit, oder ein Abguß in feinem Gips zu der anzustellenden Vergleichung hinreichen und mich belehren, in wie fern man die neuere Arbeit der ältern an die Seite zu hoffen darf.

Noch eines muß ich gedenken: Ew. Hochwohlgeb. wünschen, mit Recht, daß nicht etwa eine andere Societät, oder wer es auch sey, der diesseits gefaßten Idee zuvorkomme und deßhalb bald etwas ins Publikum ergehen zu lassen, für räthlich halten. Mein Vorschlag wäre deswegen, man setze in das Intelligenzblatt der Jenaischen Allgem. Litt. Zeitung eine kurze Notiz etwa nachstehendes Inhalts:

Eine Gesellschaft dankbarer Verehrer des Herrn Erzkanzlers Churfürstl. Gnaden (hier kommt es darauf an, ob man die Societät und das Motiv der Dankbarkeit näher bezeichnen will) hege den Vorsatz durch eine demselben zu widmende Medaille ihre Empfindungen auszudrücken und der Nachwelt zu überliefern, wozu die Anstalten schon getroffen seyen; man [54] hoffe dem Publikum bald das nähere, nebst einer Einladung zur Theilnahme, bekannt zu machen.

Auf diese Weise salvirt man die Priorität und man kann von Zeit zu Zeit, wie man in dem Geschäft sieht, mit Ankündigung und Einladung fortfahren.

Schließlich noch eine Anfrage: Sollte nicht nöthig seyn eine Erlaubniß zu einer solchen Dedication eines Monuments von dem verehrten Fürsten zu erlangen? doch vielleicht sind Ew. Hochwohlgeb. schon davon versichert.

Verzeihen Dieselben nur, wenn ich so weitläufig werde und in einigen Puncten vielleicht allzubedenklich erscheine; man hat es aber für das ganze Geschäft zu gut, wenn man anfangs das Ganze in allen seinen Theilen zu übersehen strebt.

Auch muß ich bitten, bey der Eile, womit diese Blätter verfaßt wurden, nur auf die Absicht zu sehen und meiner Danckbarkeit für das geschenckte Vertrauen gewiß zu seyn.

Ew. Hochwohlgeb.

Weimar

ganz gehorsamster

d. 8. Febr.

Diener

1804.

J. W. v. Goethe.


Pro Voto.

Eine Medaille hat durch ihre mögliche Verbreitung, durch ihre Dauer, durch Überlieferung der Persönlichkeit [55] in einem kleinen Raum, durch Documentirung allgemein anerkannter Verdienste, durch Kunst- und Metallwerth, so viel vorzügliches, daß man, besonders in unsern Zeiten, Ursache hat sie allen andern Monumenten vorzuziehen.

In dem gegenwärtigen Falle, daß des Herrn Erzkanzlers Churfürstl. Gnaden eine Medaille gewidmet werden soll, stimme ich dafür daß sie in Rom gearbeitet werde.

In Deutschland, bey sehr lobenswürdiger Technik, wüßte ich nirgends ein Zutrauen auf höhere Kunstleistung zu fassen.

Die Franzosen machen ihre Sachen ganz wacker und brav; aber ich würde ihnen eher einen Generalissimus, als einen geistlichen Herrn anvertrauen; denn es ist immer etwas manierirtes und für unsern Zweck fremdartiges in ihren Arbeiten.

Daher scheint in manchem Sinne räthlich die gegenwärtig bestimmte Medaille in Rom arbeiten zu lassen.

Es befindet sich daselbst ein StempelschneiderMercandetti, dessen neueste Arbeit, eine Medaille auf Galvani, ich in Gips Probedruck in Händen habe, ein Mann, der, nach Herrn Fernows neusten Versicherungen, der beste dortige Arbeit ist, so daß ich nur so viel sagen kann, daß mir in der Zeit, in der wir gerade leben, auch kein besserer bekannt ist.

Hiezu kommt noch die Betrachtung, daß zu Ehren unsers fürtrefflichen Fürsten eine Medaille in Rom[56] schneiden lassen, eben so viel heißt als ihm das Monument in Rom selbst setzen.

Der Stempelschneider wird sich geehrt finden eine Medaille zum Andenken des ersten deutschen geistlichen Fürsten zu schneiden.

Der Papst und die Cardinäle werden, wenn irgend noch eine Spur von altem römischen Hof- und Weltwesen übrig seyn sollte, wie höchst wahrscheinlich ist, sogleich hievon informirt werden und der Künstler sich dadurch doppelt und dreyfach angefeuert fühlen etwas gutes zu machen, was ihn nach allen Seiten empfehlen könne, so daß wir auf diesem Wege, wenn wir uns nicht ganz betrügen, das beste was von jener Seite erhalten werden kann, entzwecken werden.

Demohngeachtet würde ich, wegen der Entfernung und so mancher eintretender Zufälligkeiten, den Muth nicht haben einen solchen Vorschlag zu thun, wenn nicht Herr von Humboldt sich an Ort und Stelle befände, der, mit uns, von gleicher Verehrung gegen den fürtrefflichen Fürsten belebt, das Geschäft sowohl im artistischen als im technischen und ökonomischen Sinne, wie wir gewiß voraussetzen können, zu behandeln geneigt wäre.

Die Medaille würde, nach beygezognem Zirkelkreise, nicht ganz drey Zoll Leipziger Maßes enthalten.

Auf der Hauptseite zeigte sie das Bildniß des verehrten Fürsten. Wir könnten von hier aus, nach einer Büste und einiger Portraiten, eine dergestalt [57] ausgeführte Zeichnung, in gehöriger Größe, liefern, daß ein römischer Medailleur darnach arbeiten könnte.

Was die Kleidung so wie die Umschrift betrifft, wäre weitere Überlegung zu pflegen.

Die Rückseite betreffend bemerke ich folgendes: Vorerst wünschte ich deßhalb mit denen Künstlern, welche mir schon bekannt sind, privatim zu conferiren. Die Preisaufgaben in so fern die Kunst sich selbst überlassen und sich noch im allgemeinen halten, mögen wohl, wie eine fünfjährige Erfahrung gelehrt hat, nicht ohne Nutzen fürs ganze seyn; Allein für ganz besondere Zwecke, wie der gegenwärtige, ist davon wenig zu hoffen und ich würde dagegen mich lieber erbieten, durch Privatcorrespondenz mit Künstlern, deren Erfindungsvermögen und Denkweise mir bekannt ist, mich zu benehmen. Ein zweckmäßiges Circular soll sogleich verfaßt werden.

Um vorläufig auch hierüber meine Gedanken mitzutheilen, so sage ich, daß mir die Darstellung des Moses, der an den Felsen schlägt (nicht historisch mit dem ganzen Israelitischen Volke, sondern symbolisch und plastisch mit wenigen schöpfenden) unübertreffbar scheint, weil hier von Seiten des Gedankens alles gegeben ist und der Kunst die höchste Freyheit bleibt.

Allein vielleicht ist es möglich aus der Bibel überhaupt, besonders aus dem alten Testamente, irgend ein Factum zu finden, das sich dem genannten in [58] Ausdruck und Simplicität an die Seite stellen dürfte, welches wir denn erwarten wollen.

Dieß widmeten wir der Verehrung eines solchen Mannes, wo der speciale Fall zugleich im allgemeinen begriffen wäre. Wollte man das Specialere aussprechen, so würde eine zweyte Rückseite mit Schrift, (es ist von je her die Gewohnheit zu einer gelungenen Portraitseite mehrere Rückseiten schneiden zu lassen) keinen großen Aufwand machen.

Indessen nun hierüber Versuche gemacht werden und Rath gepflogen wird, wäre das nächste nach Rom zu schreiben und die nöthigen Anfragen dahin gelangen zu lassen.

Vorausgesetzt, was hier schon oben angeführt ist, so wäre nunmehr die Frage, was Mercandetti für eine Hauptseite mit dem Bildniß und für die Rückseite mit einigen Figuren (für die Stempel) verlangte.

Ferner, weil es nicht rathsam ist die Stempel kommen und in Deutschland prägen zu lassen, fragt sich was er für eine dort ausgeprägte Medaille in Silber verlangt? Wenn wir sie zu 6 Loth annehmen, so würde das Metall ohngefähr 4 1/2 rthlr. sächs. betragen; nun fragte sichs, wie viel er (vorausgesetzt daß ihm die Stempel bezahlt sind) für das Stück Ausgeprägte Medaille verlangen kann.

Ich bemerke, daß man in Deutschland, wo das Technische im Gange ist, dem Medailleur bey einer bestellten Medaille 1 rthlr. 12 gr. fürs Loth zahlt,[59] ohne sich übrigens zu bekümmern, ob ihm Stempel springen oder nicht. In dieses Verhältniß müßte man sich auch mit dem Römer setzen und die zu bestellenden Medaillen dort auf der Stelle prägen lassen, weil die Kosten ihres Transports hierher, und der Rimesse des Gelds hinein, immer lieber zu übernehmen sind als die Gefahr fremde Stempel in irgend einer Münzstätte, besonders in solcher Größe, zu wagen.

Alles dieses sind freylich nur vorläufige Bedenken; allein ich will noch eine allgemeine Berechnung hinzufügen.

Ein deutscher Medailleur nimmt für das ausgeprägte Loth einer Medaille 1 rthlr. 12 gr. sächs.

Unsere Medaille würde also nach diesem Maßstab 9 rthlr. zu stehen kommen.

Leiten wir die Entreprise nach Rom; so ist es offenbar daß die Medaille um etwas theurer kommen müsse.

Hier tritt also auf eine, wie mich dünkt, ganz gemäße Weise die Pflicht dererjenigen ein, welche dem vortrefflichen Fürsten die Medaille widmen.

Es versteht sich, daß demselben wenigstens Eine goldene dargebracht werde, zugleich eine schickliche Anzahl silberner, eine größere kupferner, damit er in alle Classen der Seinigen nach freygebiger Lust diese Gabe vertheile.

Diese Kosten sowie alles was von Transport, Rimessen und sonst erforderlich wäre, hätte die widmende [60] Societät zu tragen und das übrige Publikum nähme, mit Vergnügen, die Medaille um einen mäßigen Preis und zahlte denn doch in der Masse mit an der ganzen Unternehmung.

Dieses sind allgemeine Vorschläge, welche erst durch die Zeit und besonders durch eine Antwort von Rom ihre nähern Bestimmungen erhalten werden.

W. d. 8. Febr. 1804.

s. m.

Goethe

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1804. An Ferdinand von Lamezan. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7964-F