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An Carl Ernst Schubarth

[Concept.]

[Jena, 2. April 1818.]

Ihr Büchlein, mein Werthester, das Sie mir anmelden, ist noch nicht zu mir gekommen; Freunde jedoch sprachen günstig davon, ohne mich im Besondern aufzuklären. Da Sie nun in einer Art von Sorge zu seyn scheinen wie ich es aufnehmen könnte; so halte ich für Pflicht Sie durchaus zu beruhigen.

Wenn man das Leben zugebracht hat sein Innerliches auszubilden, mit dem Wunsche auch nach außen genießbar und nützlich zu werden; so kann uns nichts erfreulicher begegnen als wenn wir vernehmen daß Gleichzeitige, noch mehr aber daß Jüngere sich mit unsern bekannt gewordenen Arbeiten dem Werden nach beschäftigen. Denn indem sie dieses thun, so sprechen sie aus: daß sie nicht nur dasjenige was einer Jugend gemäß ist sich aus dem Vorliegenden heraus nehmen würden, welches bequem wäre, auch gewöhnlich geschieht und allenfalls gelten kann, sondern daß sie [121] gern erführen wie es denn eigentlich um ihren Vorgänger gestanden und wie solcher, bey entschiedenen, von der Natur aufgedrungenen Anlagen, erst dem Genius indulgirt, durch's Ungeschick sich durchgehalten, dann dem Geschick nachgeholfen und auf der wilden Woge des Lebens doch noch, ohne gerade zu stranden, sich in irgend eine heilsame Bucht geworfen?

Hat dieses der junge Freund im Auge, so bereitet er sich selbst die wünschenswertheste Bildung: denn ob wir eine einzelne Thätigkeit, die sich mit der Welt mißt, unter der Form eines Ulyß, eines Robinson Crusoe auffassen, oder etwas ähnliches an unsern Zeitgenossen, im Laufe sittlicher, bürgerlicher, ästhetischer, literarischer Ereignisse wahrnehmen ist ganz gleich. Alles was geschieht ist Symbol, und, indem es vollkommen sich selbst darstellt, deutet es auf das Uebrige. In dieser Betrachtung scheint mir die höchste Anmaßung und die höchste Bescheidenheit zu liegen. Diese Forderung haben wir mit dem Obersten und dem Geringsten gemein.

Um nun von diesen überschwenglichen abstrusen Betrachtungen auf das Nächste zurückzukehren, will ich gern bekennen daß ich von Personen, denen es gefiel freundlich über mich zu reflectiren manches gelernt und sie deshalb verehrt und bewundert habe. So hat mich Delbrück aufmerksam gemacht daß meine kleinen, wenigen Gedichte an Lida die zartesten unter allen seyen. Das hatte ich nie gedacht noch viel weniger gewußt [122] und es ist wahr! es macht mir jetzt Vergnügen es zu dencken und anzuerkennen. Und ich beeile mich Ihnen dieß zu sagen, noch ehe Ihre Blätter zu mir kommen. Was ich sodann erwidern kann hängt von manchen innern und äußern Zufälligkeiten ab; doch wünsch ich mir einen so guten Augenblick wie diesen wo ich in vollkommener Freyheit Ihren guten Willen erwidern könnte.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1818. An Carl Ernst Schubarth. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7994-1