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An Carl Friedrich Zelter

Ich begreife recht wohl, daß eine Entschließung dazu gehört seinen Kreis zu verlassen und, in dieser Jahrszeit, auswärtige Freunde aufzusuchen. Dießmal[192] aber hat mich Ihr absagender Brief in gar vielfachem Sinne betrübt. Außerdem was wir, für das Allgemeine und Höhere der Kunst, durch Communication, würden gewonnen haben, bin ich noch in dem besondern Fall, daß ich, diesen Winter, mit der Organisation der Oper und des Orchesters mehr für die Zukunft als für den Augenblick beschäftigt bin, wobey ich Ihren Beystand mir als ganz unentbehrlich gedacht habe.

Die Wichtigkeit des alten sprichwörtlichen Rathes: gehe vor die rechte Schmiede! ist mir früh einleuchtend gewesen; aber was hilft die Einsicht, wenn die Schmiede so weit liegt, daß man mit seinem Geschirr sie nicht erreichen kann.

Ich darf daher die Hoffnung Sie zu sehen nicht aufgeben und thue deswegen einen Vorschlag den Sie freundlich aufnehmen werden.

Wäre es möglich daß Sie mehr oder weniger Zeit fänden einen Ausflug zu uns zu unternehmen; so würde ich, in meiner gegenwärtigen Lage und in Rücksicht des großen Vortheils den ich für die Anstalten die mir am Herzen liegen, durch Sie erwarte, mich verpflichtet fühlen Ihnen wenigstens die Kosten der Hin- und Herreise zu erstatten und für Ihren hiesigen Aufenthalt zu sorgen. Wollten Sie alsdann die Beschwerlichkeit der Reise und die Verwendung Ihrer kostbaren Zeit gegen das Vergnügen aufrechnen, das Sie allenfalls bey uns genießen möchten; so blieben[193] wir doch nicht in so hohem Grad Ihre Schuldner und es ließe sich vielleicht eine Leitung treffen, daß wir uns, wo nicht mit Ihrem großen Vortheil, doch wenigstens ohne Ihren ökonomischen Nachtheil, auch künftig öfters sehen könnten.

Bedenken Sie das und sagen mir Ihre Gedanken über diesen Vorschlag, auf den ich um so eher eine günstige Antwort hoffe, als Sie wegen der Zeit keineswegs genirt sind, und binnen hier und Pfingsten Ihre Ankunft uns Jeden Tag willkommen seyn würde.

Noch steht Ihr Zimmer ruhig und bereit Sie zu empfangen.

Alle Freunde gedenken Ihrer mit Enthusiasmus, welcher durch die gestern erst wieder aufgeführten neuen Compositionen des Reiterliedes und der Zwerge aufs neue angefacht worden. Schiller dankt sehr lebhaft.

Es ist ein neuer Tenor bey uns angelangt, der eine sehr schöne Stimme hat, aber in jedem Sinne noviz ist. Was würde ihm und uns ein Wink seyn, auf welche Weise er sich weiter zu bilden hätte. Ich nenne nur dieses einzige Glied aus der Kette der Verbindlichkeiten die wir Ihnen schuldig zu werden wünschten.

Daß die Verbesserung unsers Theaters und besonders der Musik, in Rücksicht der Vermählung unseres Erbprinzen, und der in dem letzten Viertel des gegenwärtigen Jahres nothwendigen Feste u.s.w. ein [194] ernsthaftes Geschäft sey, brauche ich nicht zu sagen, so wie ich meine gethane Vorschläge und Bitten nicht wiederhole.

Die verlangte, sehr liebenswürdige Composition liegt bey.

Wenn Sie die von Herder ehemals herausgegebenen Volkslieder durchlaufen, so wie seine zerstreuten Blätter, finden Sie gewiß manches was Sie anspricht. Ich wünsche sehr, daß, in meinen kleinen Conzerten, jener Freund sich über sich selbst verwundere, wenn er seine Arbeiten durch Ihr Organ wieder vernimmt.

Sagen Sie mir doch ein gründliches Wort wie Sie Madame Mara gefunden?

Leben Sie recht wohl und lassen mir bald ein erfreuliches Wort hören.

W. d. 10. März 1803.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1803. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-79A5-C