[132] 21/5906a.

An Franz Kirms?

[Concept.]

[Weimar, Mitte Februar 1810.]

Ew. Wohlgebornen

haben mir noch gestern Abend spät eine Besorgniß geäußert, die darüber entspringen wollen, daß die nächste Sonntags-Redoute wegen der dabey beliebten Einschränkungen etwa weniger besucht werden könnte. Ich sage hierüber ganz aufrichtig meine Meynung, wie ich sie geäußert, als wir über dieser Sache vor einiger Zeit Rath gepflogen.

[132] Es ist Ihnen leider genugsam bekannt, daß die Redouten blos dadurch so tief gesunken, daß man dabey sich allzu läßlich benommen, so daß es dem Niedrigsten leicht geworden sich droben zu ergehen, weshalb sich nicht nur alle vornehme sondern alle anständige Personen davon entfernt; wie denn die zweyte Redoute dieses Winters hievon ein Zeugniß giebt, wobey nur 27 bezahlte Billets eingekommen.

Da man nächsten Freytag bey Hofe einen Maskenball giebt, wobey so ausgezeichnete schöne Kleidungen erscheinen; so wird die Sonntags-Redoute schon höchst brillant seyn, wenn die höchsten Herrschaften die Gnade haben darauf zu erscheinen und die übrigen Personen des Freytägigen Festes ganz gewiß nach ziehen. Sehr viele die an diesem Tage nicht Theil genommen, werden wünschen jene schönen und wohlverzierten Gestalten gleichfalls mit Augen zu erblicken, und die anständigen Personen der Stadt werden auf ihre Weise auch befriedigt werden.

Freylich wäre es höchst wünschenswerth daß die Personen welche die Russischen Völkerschaften vorstellen sich entschlössen auch auf der Redoute ihren Aufzug zu wiederhohlen.

Von Fremden kann man mit Gewißheit sagen, daß viele aus der Nachbarschaft herbeykommen, ja sogar, daß Riesende schon die Einrichtung getroffen haben, sich diesen Tag hier zu befinden.

[133] Von den sämmtlichen Abbonnenten wird niemand fehlen und diese machen schon ein kleines Publicum und ziehen Freunde und Verwandte nach sich.

Glaube man nur nicht, daß die Forderung von Character-Masken den Menschen lästig sey. Jeder freut sich, wenn seine Erfindungskraft, sein Witz einigermaßen angeregt wird, und vergißt darüber manches drängende Übel der Zeit.

Hierzu kommt noch, daß kluge Speculanten schon gefällige Charactermasken-Kleidungen theils zubereiten, theils kommen lassen, deren Miethe sich nicht höher belaufen wird, als in der letzten Zeit die Miethe eines Tabarros, die. . .

Setzt man diese Einrichtung mit Beständigkeit fort, zeigen sich die gnädigsten Herrschaften jeder Zeit geneigt die Redouten zu besuchen; so wird diese Anstalt zum Vergnügen der Einwohner und zum Vortheil des Stadtraths gewiß sobald nicht wieder sinken, da sie durch ein Paar so schöne Feste aus ihrer Erniedrigung mit Entschlossenheit und Anstrengung glücklich erhoben worden.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1810. An Franz Kirms?. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-79E4-D