32/19.
An die Frankfurter Festgenossen
Da mir meiner lieben Vaterstadt, ungeachtet aufgehobner bürgerlichen Verhältnisse, mich noch auf das Innigste verbunden fühle, konnte mir nichts erfreulicher begegnen als daß daselbst wahre Sinnesverwandte einen Tag feyerten, an welchem wohldenkende Mensch Aufmunterung von Außen bedarf, weil er sich gewiß nicht enthält innerlich sowohl rückwärts zu blicken, jenes mit vollem Ernst, dieses mit einiger Bedenklichkeit.
Was aber sollte uns über alles Vergangene mehr beruhigen als ein öffentliches, liebevolles Zeugniß daß man nicht umsonst gelebt, daß eine gütige Vorsehung uns von Schritt zu Schritt vergönnte etwas zu leisten, welches wir solange scheu als das Unsrige betrachten, bis uns andere versichern daß es auch für sie bleibenden Werth habe.
Mit Freuden will ich daher die mir bis jetzt verliehenen Kräfte fernerhin anzuwenden trachten, daß meinen lieben Landsleuten etwas angenehmes und nützliches daraus entsprießen könne. Und in solchem Sinne darf ich jenen herrlichen Kranz gar wohl mit bescheidenem Vergnügen anblicken als ob er noch zu verdienen wäre. Dieser mit bevorstehende unschätzbare Genuß reitzt mich früher nach Hause; und mit welchem Gefühl werde ich, in der Stunde Rückkehr, den[31] doppelten Gruß der Meinigen, wie ich sie nah und fern benennen darf, noch immer überraschend, empfangen und mir zueignen. Möge allen Wohlwollenden die beste Vergeltungen werden!
neubelebt und verbunden
J. W. v. Goethe.