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An Johann Friedrich Heinrich Schlosser

[Concept.]
Wohlgeborner
Insonders hochgeehrtester Herr Stadtgerichtsrath,

Indem ich Ew. Wohlgebornen für die fortgesetzte gefällige Besorgung unser Angelegenheit immer [8] mehr Dank schuldig werde; so will ich deshalb nicht viele Worte machen, sondern aufrichtig versichern, daß es mir und den Meinigen zum größten Vergnügen gereichen wird, solchen auf irgend eine thätige Weise Denenselben abstatten zu können.

Nach mehreren abermals überstandenen sehr prägnanten Tagen sind wir wenigstens wieder zur momentanen Ruhe gelangt und ich verfehle nicht nunmehr auf Ihr letztes Schreiben einiges zu erwiedern.

Die verlangte Declaration meines Frankfurter Vermögens würde ich sogleich übersenden, wenn mir nicht ein Bedenken deshalb beyginge, worüber ich mir Aufklärung und Belehrung erbitte.

Aus den Schatzungsbüchelchen welche ich durch Ew. W. Vorsorge unter andern Papieren erhalten, zeigt sich, daß ich bis Juni 1801 die kleinste Schatzung bezahlt, welches nur in Rücksicht auf die Erhaltung des Bürgerrechtes geschehen, indem ich bey dem Leben meines Vaters in Frankfurt nichts besessen und nach dessen Ableben das vorhandene Vermögen von meiner Mutter als Nutznießerin versteuert ward.

Um gedachte Zeit war, wie ich mich erinnere, zur Sprache gekommen, in wiefern ein Frankfurter auswärts wohnender und possessionirter Bürger von seinem auswärts besitzenden Vermögen zu den Kriegslasten mit beyzutragen habe. Ich habe deshalb mit Herrn Schöff Hetzler correspondirt, auch bey den hiesigen Behörden darüber nachgefragt, und ich glaube mich [9] zu besinnen, daß man die Sache damals ablehnend und dilatorisch tractirte.

Leider war ich in jener Epoche von großen körperlichen Übel befallen und außer Stand meine Aufmerksamkeit auf solche Gegenstände zu richten; daher kann ich nur muthmaßlich von der Sache sprechen. Ich vermuthe nämlich, daß man, um meiner künftigen Mitleidenheit an den bürgerlichen Lasten einige Form zu geben, den Weg erwählt sich zu einer gewöhnlichen höchsten Schatzung zu verstehen, und dazu sich der Fiction bedient, mir ein Vermögen von 15000 Gulden in Frankfurt zuzuschreiben.

Allein es konnte nur in dem Sinne geschehen, insofern ich meines Vaters Erbe war, und gedachte Summe als ein Theil seines Vermögens angesehen wurde, so daß dieser Theil also doppelt von meiner Mutter und bisher versteuert worden.

Sollte aber nunmehr diese patriotische Fiction dergestalt in Realität übergehen, daß ich mich zu oben gedachter Summe noch über meine Erbportion bekenne, so würden ich und die Meinigen bey einem künftigen Abzugsfall sehr benachtheiligt seyn.

Die Vermögens Declaration ist auf Treue und Glauben des Bürgers gestellt, und ich würde zu meinem Schaden eine Unwahrheit sagen, wenn ich erklärte, daß ich mehr und etwas anderes besäße als was Ew. W. durch den Theilungs Receß am allerbesten bekannt ist.

[10] Dieses ist das natürliche Verhältniß der Sache. In wiefern jedoch dieser etwas complicirte Fall sich gegen die staatsrechtlichen Maximen und Herkömmlichkeiten meiner Vaterstadt verhalte, werden Ew. W. am besten beurtheilen.

Läßt sich über diese Sache bey den ersten Instanzen hinauskommen, so wird es freylich das wünschenswertheste seyn; so wäre der Fall ja wohl geeignet an den Souverain gebracht zu werden, dem in außerordentlichen Fällen auch ein Erkenntniß, das sich auf Billigkeit gründet, wohl ansteht.

Darf ich mir jedoch hierüber vor allen Dingen Ihren einsichtsvollen Rath erbitten.

abgeschickt d. 22. Jul. 1809.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1809. An Johann Friedrich Heinrich Schlosser. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7A22-C