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An Johann Kaspar Lavater

[Ende November.]

Ich kann nicht weiter gehn ohne dir über eine Idee zu schreiben die mir sehr am Herzen liegt. Du weisst wie wichtig in vielem Betracht diese Reise dem Herzog gewesen ist und wie gewiss eine neue Epoche seines und unsers Lebens sich davon anfängt. Wenn wir nach Hause kommen lebt er wieder in seinen Gärten und Gebüschen fort, dorthin an einen schönen Plaz mögt ich ihm ein Monument dieser glüklich vollbrachten Reise sezen, das ihm in guten Augenbliken eine fröhliche Erinnerung wäre. Es [141] sind auch Nebenabsichten dabei. Überall spielt man iezt mit Monumenten und Urnen deren leere Hülfen und Bäuche ihm immer fatal gewesen sind. In den kleinen Anlagen die er gemacht hat, steht noch gar nichts dergleichen, dieses wär' das erste und wahrhaftig wahre denn wir haben unterweegs mancherleinlas gehabt, dem guten Glük einen Stein der Dankbarkeit zu widmen und das ex voto ist keine blose Phrase. Wir haben bei uns einen Bildhauer, einen Mann von leichtem Begriff und schneller Hand, der sich täglich durch das Studium der Natur und der Antike bessert, dem es aber an Imagination fehlt und der, wenn man ihm so was überlässt, wie andre seines gleichen in den neuen leeren Decorations Gusto verfällt. Zu diesem Monument habe ich in meinem Kopf allerlei Gedancken und Bilder herum getrieben und mir etwas, was ich durch die Künstler die um mich sind, könnte zusammen posseln lassen herbey gesucht, doch seh' ich zum voraus, es wird eine Plakerei geben und am Ende doch was schwaches und halbes herauskommen. Immer, seitdem mich der Gedancke beschäfftigt, habe ich gewünscht: du möchtest Füessli bereden können dass er aus seinem ungeheuren Reichthum etwas zu diesem guten Werke herüber gäbe! das ist der einzige Weeg; wenn alsdann unser Bildhauer nicht ganz von Gott verlassen ist, dass wir etwas auserordentliches und wills Gott vollkommenes kriegen können. Mein erster Gedanke war so: Ich [142] wollte dem Monument eine vierekigte Form geben, etwas höher als breit, ganz einfach wie man in den alten Überbleibseln dergleichen Steine oben mit einem eingekerbten Dach findet. Von drei Seiten sollte iede eine einzelne bedeutende Figur und die vierte eine Innschrifft haben. Zuförderst sollte das gute heilsame Glük stehen durch das die Schlachten gewonnen und die Schiffe regiret werden, günstigen Wind im Naken, die launische Freundinn und Belohnerinn keker Unternehmungen mit Steuerruder und Kranz, im Felde zur Rechten hatte ich mir den Genius, den Antreiber, Wegmacher, Wegweiser, Fakelträger mutigen Schrittes gedacht. In dem Felde zur lincken sollte Terminus der ruhige Gränzbeschreiber, der bedächtige mäßige Rathgeber stillstehend mit dem Schlangenstabe einen Gränzstein bezeichnen. Jener lebend rührig vordringend, dieser ruhend sanft, in sich gekehrt zwey Söhne einer mutter der altere iener der iüngere dieser. Das hinterste Feld hatte die Innschrifft:

Fortunae

Duci reduci

natisque

Genio

et

Termino

ex Voto.

Du siehst was ich vor Ideen dadurch zusammenbinden wollte. Es sind keine Geheimnisse noch tiefe[143] Räzel, aber sowohl auf dieser Reise als im ganzen Leben, sind wir diesen Gottheiten sehr zu Schuldnern geworden. Das erstemal dass wir nach einer langen nicht immer fröhligen Zeit aus dem Loche in die freye Welt kommen, zusammen den ersten bedeutenden Schritt wagen, gleich mit dem schönsten Hauche des Glücks fortgetrieben zu werden, in der späten Jahrszeit alles mit günstiger Sonne und Gestirnen. Den ganzen Weeg den wir machen begleitet von einem guten Geiste der überall die Fackel vorträgt hierhin lockt dorthin treibt dass wenn ich zurücksehe wir, zu so manchem das unsre reise ganz macht nicht durch unsern Wiz und Wollen geleitet worden sind. Und dan am Ende dass wir auch durch den schönen Glückssohn bedeutet wurden wo wir aufhören, wo wir einen Gränzbogen beschreiben und wieder zurückkehren sollten, das wieder einen unglaublichen Einfluss auf unsre Zurückgebliebnen hat und haben wird. Das alles zusammen giebt uns eine Empfindung die ich nicht schöner zu ehren weis als womit alle Zeiten durch die Menschen Gott verehrt haben.

Im Beywesen und Verzierungen dacht ich manches anzubringen das eine Schweizerreise deren bester Theil zu Fus gemacht worden bezeichnete. Wanderstock mit Eisen beschlagen und mit Gemshorn zum Knopf. Gott weis was weiter.

Meine Gedancken wollt ich einigen Künstlern mittheilen, sie hinüber herüber mit ihnen durchtreiben[144] und sehen ob ihnen einer vielleicht einen besseren Körper gäbe.

Seitdem ich aber bei dir Fuesslis lezte Sachen gesehen habe, kann ich dich nicht loslassen, du musst versuchen ob du ihn bewegen kannst eine Zeichnung dazu zu machen. Den Gedanken und Entzwek weisst du, den sag ihm ganz rein und einfach und da es ihm fatal sein muss, wenn ihm iemand was vorerfinden oder angeben will, so geb ich gern meine Form des Ganzen meine einzelne Figuren und die Innschrifft dazu auf, wenn er sich des Dings annehmen will. Er wird gewiss die Idee stärker grösser treffender und neuer ausdrüken. Du müsstest ihn bitten, er mag nun bei meinem Vorschlag bleiben oder nicht dass er eine bestimmte Zeichnung von der Form des Ganzen mit den Masen gäbe, auch so von den einzelnen Figuren und sie auf eine Weise zeichnete dass sich leicht ein Basrelief darnach arbeiten liese. Vielleicht sind ihm, der alles mit Geist und Feuer durcheinander arbeitet die einzelstehende Figuren widrig, er bringe sie zusammen auf eins wenn er will, allenfalls nehme er statt des Vierecks eine runde Form, doch das würde freilich wieder bei der Ausführung in Stein mehrere Hinderniss geben. Noch muss ich dir dabei sagen, dass wir einen auserordentlich schönen lichtgrauen sanften Stein, der an Marmor gränzt und keiner Witterung weicht, zu dieser Arbeit haben. Du müsstest Füesslien bitten, dass er selbst die Grösse [145] vom ganzen Monument nach seinen Gedanken angäbe, das man allenfalls um es etwas aus dem Auge zu rüken auf einen Rasen gegen ein Felsstück pp sezen könnte. Genug er denke sich das wie er's wolle so wird es gut seyn und wir haben so viel und mancherlei Stüke Steine vorräthig dass wir zum zusammensezen des ganzen nicht verlegen sein werden. Sieh, ob du etwas über ihn vermagst und ob du, der frölichen Zeiten, die wir wieder gelebt haben, immer gegenwärtiges Siegel dadurch, auf unsere Rechnung druken kannst. Wenigstens hat er gewiss in seinem Leben manchen Strich gemacht, der nicht so erkannt und ihm so gedankt worden ist, als wie das was ich durch dich hoffe. Welchen Preiss er auch auf diese Arbeit sezen möge ist völlig einerlei. Nun ist aber noch ein Hauptpunkt nemlich die Geschwindigkeit. Ich wünsche es diesen Winter fertig zu kriegen und auf das Frühiahr zum ersten Willkomm mit den Blüthen und Blättern aufzustellen. Versuche also, ich bitte dich deine Wunderkräfte um mir zu verschaffen was nicht ein eitler Wunsch ist. Schaff dass er es macht und schnell macht und kröne mir auch dies Jahr und sein Glük mit diesem lezten Zeichen.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1779. An Johann Kaspar Lavater. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7A5E-8